Kleine Zeitung, 5.3.2018. Bis die umstrittene Fünf-Sterne-Bewegung in Italien regiert, ist es nur noch eine Frage der Zeit.

  Italien war schon in der Vergangenheit mehrfach ein politisches Laboratorium. Benito Mussolini machte den Faschismus zur Staatsdoktrin und wurde bald von Adolf Hitler kopiert, mit bekanntem Ausgang. Der Medienunternehmer Silvio Berlusconi führte in Europa den Populismus ein, der unter anderen machtpolitischen Umständen heute von US-Präsident Donald Trump weiter geführt wird. Es ist wahrscheinlich, dass von Italien aus nun ein weiterer bahnbrechender politischer Laborversuch seinen Anfang nimmt. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag erreichte die populistische und systemkritische Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Einzigartigkeit auf der politischen Weltbühne darstellt, rund 32 Prozent der Stimmen und wurde damit zum klaren Wahlsieger. Die herkömmlichen Parteien wurden von den Wählern abgestraft. Gewünscht ist offenbar eine neue, umstürzende und auf dem Papier basisdemokratisch geführte Kraft, deren bislang sehr vage politische Konturen sich demnächst schärfen müssen. Wer genau diese Fünf Sterne sind, wird sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn es um den Versuch geht, eine Regierungsmehrheit zu bilden. Alleine kommen die Schützlinge des Komikers Beppe Grillo nicht auf die notwendigen Parlamentsmandate. Die Italienwahl hat als eines der ersten Ergebnisse ein klares Misstrauensvotum

gegenüber der EU in ihrer heutigen Form dekretiert. Die „Grillini“ wollen die europäischen Spielregeln verändern, das hat auch der zweite Wahlsieger, die rechtspopulistische Lega angekündigt. Die Lega, die früher den Zusatz „Nord“ trug und ihre Stammwähler in Norditalien hat, erreichte italienweit etwa 18 Prozent der Stimmen. Damit übernimmt die Partei von Matteo Salvini die Führung im rechten Parteienspektrum. Nimmt man die Stimmen der beiden Protestparteien zusammen, dann verlangen mindestens 50 Prozent der italienischen Wähler eine Kurskorrektur in Brüssel. Dieses Votum der drittgrößten Volkswirtschaft der EU ist ein weiterer Schub für die baldige Veränderung der EU-Parameter. Für Italien steht in den kommenden Wochen die Frage im Vordergrund, ob die Bildung einer von den Fünf Sternen und ihrem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio geführten Regierung gelingt. Es wäre einen Versuch wert. Erstens gibt es nach diesem Wahlergebnis keine Alternativen. Das Mitte-Rechts-Lager hat keine Mehrheit, Mitte-Links erst recht nicht.…

Augsburger Allgemeine, 21.12.2017 - Warum österreichische Pässe südlich des Brenners destabilisierende Wirkung hätten.

Es ist bald 100 Jahre her, dass das Königreich Italien zum Ende des Ersten Weltkriegs das Gebiet südlich des Brenners annektierte und es dem in Auflösung begriffenen Österreich-Ungarn abnahm. Seither ist Südtirol italienisch, es hat lange gedauert bis sich dieses Gefälle in Gefallen aufgelöst hat. Die autonome Provinz Trentino-Alto Adige gilt heute als Modell dafür, wie ein staatlicher Konflikt mit schlimmen Folgen für die Bevölkerung letztlich doch beigelegt werden kann. Dieser Prozess hat über 70 Jahre gedauert und ist noch nicht abgeschlossen. Immer wieder lodern Spannungen auf, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben. Wenn nun die neue österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ den deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern anbietet, sie könnten den österreichischen Pass beantragen, stellt sich folgende Frage: Trägt diese Maßnahme zur Heilung alter Wunden bei oder reißt sie Narben unnötig wieder auf? Nationalismus ist der letzte Schrei auf dem Markt der politischen Offerten. Zu beobachten ist das von den USA bis Katalonien, von Großbritannien bis zum Balkan. Österreich mit seiner rechtskonservativen Regierung liegt da ganz im Trend und handelt einem bekannten

Muster zufolge, demnach untergegangene Weltreiche ihrem Phantomschmerz mit nationalistischen Handgriffen beizukommen versuchen. Als Viktor Orban 2010 Ministerpräsident von Ungarn wurde, war eine der ersten Maßnahme seiner Regierung, der ungarischen Minderheit in der Slowakei die Staatsbürgerschaft anzutragen. Das war eine sehr späte Reaktion auf den Zerfall Österreich-Ungarns. Die Slowakei fühlte sich verständlicherweise in ihrer Souveränität verletzt und protestierte, die bilateralen Beziehungen erreichten ihren Tiefpunkt. Ein anderer Spezialist der Spannung, Wladimir Putin, hält den Zerfall der Sowjetunion für das größte Unglück des vergangenen Jahrhunderts. Russischsprachigen Minderheiten in den ehemaligen Sowjetrepubliken die Staatsangehörigkeit anzubieten, ist eines seiner Mittel zur Destabilisierung der Nachbarländer Russlands. Selbst Italien gestand 2006 der italienischen Minderheit im kroatischen Istrien die Staatsbürgerschaft zu. Dabei handelte es sich allerdings nur um wenige Menschen. In Südtirol richtet sich das bislang noch nicht konkretisierte Angebot der österreichischen Regierung an 350 000 Menschen und damit an Zweidrittel der Bevölkerung. Hinter…

Rheinische Post, 18.12.2017

Es war kein bombastischer Empfang für einen König, aber es war doch ein Empfang. Der Bürgermeister war mit seiner Schärpe gekommen, der Rektor der Wallfahrtskirche, der lokale Polizeichef. Ein paar Journalisten waren auch da sowie eine Handvoll Anhänger des Königshauses von Savoyen, als die sterblichen Überreste von Italiens de facto letztem amtierenden König am Sonntag in seine italienische Heimat überführt wurden. Viktor Emanuel III. (1869-1947) liegt nun in einem Sarkophag in der Wallfahrtskirche von Mondovì, eine Autostunde südlich von Turin. Ob sein Leichnam hier auch Ruhe finden wird, wie es der Priester in seiner Andacht wünschte, steht dahin. Dass ein König 70 Jahre nach seinem Tod in dem einst von ihm regierten Land beigesetzt wird, kann kaum als Stein des Anstoßes herhalten. Viktor Emanuel III. ging nach Einführung der Republik 1946 ins ägyptische Exil, wo er im Folgejahr starb, einen Tag nach Unterzeichnung der italienischen Verfassung. Es sind eher die Umstände, unter denen die Rückführung seiner Überreste nun geschah. Am Freitag war bereits seine Gemahlin Elena aus ihrem Grab in Montpellier nach Mondovì transportiert worden. Klammheimlich sollte

alles vor sich gehen, denn Viktor Emanuel II. gilt vor allem wegen seiner Rolle während des italienischen Faschismus als persona non grata in Italien. Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen den Nachkommen und dem Staatspräsidenten war zum 70. Todestag nun offenbar der Zeitpunkt gekommen. Staatspräsident Sergio Mattarella hatte die Rückführung aus Alessandria in einer Cargo-Maschine der Luftwaffe genehmigt, darüber rümpften manche bereits die Nase. Die Erben übernahmen nur die Kosten der Bestattung. Angehörige und Verehrer umhüllten den Sarg des Mannes zur Aussegnung mit einer Savoyer-Fahne. In der Rückführung sehen sie zudem nur eine vorläufige Zwischenstation. Der König möge seine allerletzte Ruhe im römischen Pantheon finden, forderte Emanuele Filiberto. „Das Pantheon ist die letzte Ruhestätte der italienischen Könige, Viktor Emanuel III war der letzte König und hat 46 Jahre lang regiert“, schlussfolgerte der aus Realityshows bekannte Urenkel. Diese Ehre gebühre selbstverständlich auch seinem Urgroßvater. Das sehen…

Augsburger Allgemeine, 18.11.2017 - Deutsche Angler und rumänische Wilderer gehen in Italien auf Wels-Jagd. Der italienische Staat schaut dem wilden Treiben auf dem Fluss unbeteiligt zu. Dabei geht es nicht nur um die großen Fische, sondern um ein Millionengeschäft mit zuweilen kriminellen Zügen.

Angerglück am Po. Fotos: Max Intrisano

Angerglück am Po. Fotos: Max Intrisano

Der Kampf beginnt um sieben Uhr Früh. Die Sonne ist gerade über dem Po aufgegangen, als Tobias Oppacher und Thomas Schedlbauer von einer hellen Klingel geweckt werden. Auf jeder ihrer sechs Angeln haben die beiden ein Glöckchen platziert. Es muss ein Monstrum von einem Fisch am Haken hängen, so laut bimmelt es. Die beiden springen mit der Angel in ein kleines Schlauchboot und lassen sich flussabwärts treiben. „Die Strömung, der Sonnenaufgang, der große Fisch an der Angel, es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl“, sagt Oppacher. Wer diese Mischung aus Jagdtrieb, Naturgewalten und Adrenalin mag, der fährt mindestens einmal in seinem Leben an den Po. Oppacher, 30 Jahre alt, war schon sechsmal da. Anderthalb Stunden später ist soweit, der Wels zappelt in Sichtweite. Schedlbauer streift einen Bauarbeiter-Handschuh über und bekommt den Fisch am Kiefer zu greifen. Mit vereinten Kräften und Urlauten ziehen die Angler den Fisch ins Boot. Dann steuern sie eine Sandbank an, Oppacher und Schedlbauer legen ihre vorzeitliche Beute mit ihrem riesigen Maul und ihren

Barteln, die wie Antennen wirken, auf einer Plane ab und nehmen Maß. 2,20 Meter Länge, zwischen 70 und 80 Kilogramm Gewicht. „Der Wahnsinn!“, sagt Schedlbauer. Sie schießen Erinnerungsfotos, wenig später schwimmt der riesige Fisch wieder im Fluss. Der Po ist Europas letztes Anglerparadies, ein Garten Eden für Fischer, in dem der Sündenfall zum Alltag geworden ist. Der Fluss in Norditalien ist naturbelassen und wird von den Einheimischen weitgehend ignoriert. Angler aus Deutschland und Österreich sowie Wilderer aus Rumänien und Ungarn haben den Po hingegen als ihr Revier in Beschlag genommen. Seit bald zwei Jahrzehnten tummeln sie sich hier schon. Die Szene bleibt unter sich, beinahe ungestört vor staatlicher Kontrolle. Der Po ist Niemandsland, eine Art Wilder Westen für Angler in Norditalien. 17 sogenannte Waller-Camps reihen sich zwischen Cremona und der Po-Mündung in die Adria aneinander. Die Betreiber, fast alle aus Deutschland oder Österreich, haben sich den Fluss mit inoffiziellen Absprachen aufgeteilt. Die Konkurrenz…