Augsburger Allgemeine, 25.4.2016 Das Dorf der Filmhelden Don Camillo und Peppone ist von der Mafia unterwandert. Die italienische Regierung ergriff nun eine drastische Maßnahme.

Auf dem schönen Dorfplatz von Brescello ist die Welt noch in Ordnung. Vor der weißen Kirche hebt Don Camillo die Hand zum Gruß, vor dem Rathaus schwenkt Peppone den Hut. Der schlitzohrige Pfarrer und der kommunistische Bürgermeister, deren Bronzestatuen den Ort in der Emilia-Romagna schmücken, haben tausende Leser und Fernsehzuschauer beglückt. Giovannino Guareschi prägte mit seinen Erzählungen das Bild Italiens in der Nachkriegszeit. Damals kreiste das Leben um Kirche und Arbeit. Heute kommt man selbst in Brescello an der Mafia nicht vorbei. Die italienische Regierung hat nun den Gemeinderat von Brescello aufgelöst. Das nördlich der Stadt Parma gelegene Dorf, in dem sechs „Camillo und Peppone“-Filme gedreht wurden, ist von der ‘Ndrangheta unterwandert – der aus Kalabrien stammenden Mafia. Erfahrungsgemäß sind die Zustände erschreckend, wenn die Exekutive zu so einer drastischen Maßnahme greift. Seit 1991 war dies bei weit über 200 Kommunen in Italien notwendig, vor allem in den südlichen Regionen Kalabrien, Sizilien und Kampanien. In den vergangenen Jahren wurden zudem Gemeinderäte in Ligurien, im Piemont und der Lombardei aufgelöst. Und jetzt eben auch

in Brescello. Illegale Geschäfte in Norditalien Mit der 5600-Einwohner-Gemeinde hat es erstmals eine Kommune in der produktiven Emilia-Romagna getroffen. Damit ist nicht nur das italienische Dorf-Idyll aus den Filmen zerstört. Die Auflösung des Gemeinderats von Brescello und seine demnächst beginnende, 18 Monate dauernde Verwaltung durch drei Kommissare ist ein Weckruf: Selbst im scheinbar intakten italienischen Norden ist längst Misstrauen angebracht. Die Mafia hat auch da ihre Hände im Spiel, wo man sie nicht vermutete. Gleichwohl ist bekannt, dass die ‘Ndrangheta seit Jahrzehnten illegale Geschäfte in der Emilia-Romagna macht. In Brescello sind zahlreiche Mitglieder des Clans Grande Aracri ansässig, unter anderem der wegen Mafia-Zugehörigkeit verurteilte Boss Francesco Grande Aracri. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Operation „Aemilia“ und ein derzeit in der Provinzhauptstadt Reggio Emilia laufender Mega-Prozess gegen 147 Angeklagte werfen ein Schlaglicht auf die Verhältnisse. Neu hingegen scheint die systematische Verquickung der Lokalpolitik, also der heutigen Peppones zu…

Rheinische Post, 9.3.2016 Weil die Balkanroute dicht ist, bereitet sich Italien auf einen neue Flüchtlingswelle vor.

Vielleicht sollte man sich die Worte des ukrainischen Schleusers noch einmal vergegenwärtigen, den der Kriminologe Andrea Di Nicola aus Trient vor einiger Zeit in einem italienischen Gefängnis befragte. Laut Di Nicola sagte der Schleuser: „Wenn ihr Fluchtwege abschneidet, werden wir neue finden. Ihr zieht die Mauern um die Festung Europa höher? Wir erhöhen die Preise.“ Jetzt wirkt es so, als habe auch die italienische Regierung die zynischen Worte des Schleusers mit etwas Verspätung vernommen. Nach den aktuellen Entwicklungen auf dem Balkan fürchtet Italien eine neue Flüchtlingswelle. Auslöser sind die Grenzschließungen von Österreich bis Mazedonien und die sich in Nord-Griechenland stauenden Flüchtlingstrecks. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um das drohende Szenario zu verstehen: Weil sie auf dem Weg von Griechenland nach Norden blockiert werden, suchen die Flüchtlinge neue Routen in die EU, von denen die meisten über Italien führen. Auch Italien, das im vergangenen Jahr etwa 100 000 Flüchtlinge in Hilfseinrichtungen aufnahm, ist vom Meer umgeben und kann keine Zäune an den Küsten errichten. „Wir bereiten einen vorläufigen Plan vor und hoffen,

dass er vorläufig bleibt“, sagte der italienische Innenminister Angelino Alfano vor Tagen bei einem Besuch in der süditalienischen Region Apulien. Wie es heißt, gibt es rege informelle Kontakte zwischen Italien, Albanien und Montenegro. Dutzende Soldaten sollen nach Apulien verlegt werden, der fünfte italienische Hotspot im apulischen Taranto steht angeblich kurz vor der Öffnung. Alfano wies schon vor Wochen die Sicherheitschefs in den italienischen Städten an, 50 000 zusätzliche Aufnahmeplätze einzurichten. Ein Grund für den Alarm: Gerade einmal 45 Seemeilen trennen den Absatz des italienischen Stiefels vom albanischen Festland, die Überfahrt ist in einer Nacht zu schaffen. Laut italienischen Zeitungsberichten haben italienische Geheimdienste Erkenntnisse, dass Schlepper die in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge über Albanien und dann mit Booten über den Kanal von Otranto nach Italien befördern könnten. „Wir haben noch keine konkreten Hinweise darauf, dass diese Reisen wieder aufgenommen wurden, aber einigen Verdacht, dass sie in diesen Tagen organisiert werden“,…

Augsburger Allgemeine, 28.1.2016

Nach der Verhüllungs-Affäre um nackte Statuen hat Italien die Schuldige in der Protokollchefin von Premier Renzi ausgemacht Fast wäre die Karriere von Ilva Sapora im Schatten der internationalen Politik ohne großes Aufsehen zu Ende gegangen. Die Protokollchefin von Ministerpräsident Matteo Renzi geht im kommenden Jahr in Pension. Dann kam zu Beginn der Woche der iranische Präsident Hassan Rouhani nach Rom. Anlässlich seines Treffens mit Renzi im römischen Kapitol und der Unterzeichnung milliardenschwerer Wirtschaftsverträge hatten eifrige Funktionäre die nackten Marmorstatuen in den kapitolinischen Museen hinter Sperrholzplatten verstecken lassen, angeblich um die religiösen Gefühle des Schiiten nicht zu verletzen. Und seither hat die 64 Jahre alte Signora Sapora keine Ruhe mehr. Die Protokollchefin ist nun Sündenbock Nummer eins in Italien. Zu verdanken hat sie das nicht nur einem „Übereifer“, den Premier Renzi bei den Verantwortlichen der Maßnahme feststellte. Sapora ist auch Opfer einer Reihe von beinahe als todesmutig zu bezeichnenden Politikern, die sich nun einer nach dem andern von der Prüderie distanzieren. Angesichts des Shitstorms internationaler Medien, die die Verleugnung der klassischen Kultur beklagen, brachte sich als erster Kulturminister Dario Franceschini in Sicherheit indem

er sagte, er habe nichts mit der Sache zu tun. Nicht nur Renzi und Außenminister Paolo Gentiloni distanzierten sich ebenfalls, sondern auch die für die Museen zuständige Kulturbehörde sowie die Stadtverwaltung. Der italienische Verbraucherverband erstattete sogar eine Anzeige wegen „schwerer Schäden an Ehre und Image der Stadt Rom und ganz Italiens“. Auch das kann man durchaus als Übereifer bezeichnen. Arme Signora Sapora. Denn nach einhelliger Meinung der Beschützer der klassisch-okzidentalen Kultur war der Fauxpas und die liederliche Verhüllung der halbnackten kapitolinischen Venus allein ihre Schuld. Die Protokollchefin versteckt sich seither hinter überdimensionalen Sonnenbrillengläsern und geht nicht ans Telefon. Jetzt wird in ihrer Vergangenheit gewühlt. Ihre Neider im Palazzo Chigi, dem Sitz des Ministerpräsidenten in Rom, behaupten, die Dame, die seit 2001 im Dienste der Republik ist, habe nie die notwendigen Qualifikationen für den Job gehabt. Sie sei eine „raccomandata“, eine von einflussreichen Männern Empfohlene. In…

Bonner Generalanzeiger, 21.1.2016

Mit martialischen Maßnahmen will sich die Toskana gegen die dramatische Ausbreitung der Wildschweine wehren Eigentlich ist das Wildschwein schon lange nicht mehr richtig wild. Aus der Jungsteinzeit gibt es Hinweise auf seine Domestizierung, in China und der Türkei etwa. Auch im beliebten Asterix-Comic gehört das Wildschwein mehr oder weniger zum Inventar. Jedes überstandene Abenteuer feiern die beiden gallischen Widerständler Asterix und Obelix mit einem ausgelassenen Wildschweingelage für das ganze Dorf. Gut möglich, dass diese Tradition bald auch in Italien Wirklichkeit wird. Das Wildschwein ist auf dem Vormarsch, und deshalb in höchster Gefahr. Auf dem italienischen Stiefel, aber vor allem in der Toskana können sie ein davon Lied singen. Noch in den 90er Jahren lagen die toskanischen Laubwälder wie verwaist da. Heute tummeln sich in der bei Touristen so beliebten Region hunderttausende Bachen, Keiler und Frischlinge. Von einer halben Million toskanischer Wildschweine ist die Rede. Im ganzen Land sollen es inzwischen über eine Million sein. Ihre Zahl hat sich seit der Jahrtausendwende fast verdreifacht. Gute Aussichten für einen baldigen Wildschweinschmaus, etwa schon in

den Osterferien? Der richtige Umgang mit dem Wildschwein, lateinisch sus scrofa, hat sich über die Toskana hinaus zu einem umstrittenen Debattenthema entwickelt. Unversöhnlich stehen sich gegenüber: Landwirte und Jäger auf der einen Seite, Tier- und Umweltschützer auf der anderen. Die einen beklagen die Zerstörung ihrer Anbauflächen, Wiesen und Felder. Nicht nur sei etwa das Weinanbaugebiet des Chianti classico in Gefahr, gab jüngst der Direktor des Konsortiums zu Bedenken, die gesamte toskanische Kulturlandschaft drohe durch unaufhaltsam den Boden umpflügende Schweineschnauzen zu verkommen. Mit unvorhersehbaren Folgen, auch für den Tourismus. Die Toskana, eine Kraterlandschaft. Dass es sich um ein ernstes Problem handelt, dafür sprechen etwa die 2,5 Millionen Euro Ausgleichszahlungen, die die Region im vergangenen Jahr für durch Wildschweine verursachte Agrarschäden leistete. Italienweit dürfte die Summe im zweistelligen Millionen-Bereich liegen. Die Säue sind teilweise sogar lebensgefährlich. Im vergangenen Jahr wurden bis zu 1000 von verirrten Wildschweinen verursachte Verkehrsunfälle auf toskanischen…