Christ&Welt/DIE ZEIT - 18. April 2024 - Er ist ein Weltstar der Kunst – und ein religiöser Provokateur. Jetzt gestaltet Maurizio Cattelan bei der Biennale in Venedig den Pavillon des Vatikans. Für den Italiener ist es eine Herzenssache.

An diesem Samstag beginnt die Kunstbiennale in Venedig. Zum dritten Mal nach 2013 und 2015 nimmt auch der Vatikan wieder mit einem eigenen Pavillon teil, der im Frauengefängnis auf der Insel Giudecca eingerichtet wurde. Der Heilige Stuhl hat dafür unter anderem den Italiener Maurizio Cattelan, einen der bekanntesten zeitgenössischen Künstler engagiert. Der 63-Jährige fiel in der Vergangenheit mit provokanten Werken auf, etwa einer Wachsfigur des von einem Meteoriten getroffenen Papst Johannes Paul II. Interviews gibt Cattelan selten und eigentlich auch nur schriftlich. Für die ZEIT/Christ&Welt machte er angesichts der Fülle eingereichter Fragen („Das ist wohl ein Witz?“) eine Ausnahme und stand am Telefon Rede und Antwort. Einen Teil des Interviews saß Cattelan auf dem Fahrrad - mit dem Telefon in der Hand auf dem Weg zum Domplatz in Mailand. „Ich riskiere gerade mein Leben für Sie“, sagte er. Welche Bedeutung hat die katholische Kirche in ihrem Leben? Die Kirche hat immer schon eine grundlegende Rolle in meinem Leben gespielt. Ich bin im Schatten des Turms der Kirche San Francesco im

Zentrum von Padua aufgewachsen. Meine Eltern, vor allem meine Mutter, waren sehr katholisch. Aus mir noch heute schleierhaften Gründen hat sie geheiratet und ist nicht Ordensschwester geworden. Dabei hätte sie wahrscheinlich eine perfekte Nonne abgegeben. Wie sah ihr katholisches Leben als Kind aus? Die Kirche war immer präsent. Kaum war die Schule zu Ende, ging ich ins Gemeindezentrum der Pfarrei. Dort spielte ich, wurde aber auch katholisch geprägt, wie die meisten Kinder in Venetien. Ich war sogar Messdiener. Wie blicke Sie auf diese Erfahrungen zurück? Das waren glückliche Zeiten. Meine Freunde waren die Kinder der Eltern, die Teil jener Kirchengemeinde waren. Ich habe keine schlechten Erinnerungen. Im Gegenteil. Wer Messdiener wurde, bekam Freikarten fürs Kino. So begann ich in den 19060ern, italienische Autorenfilme zu sehen. Wie hat sich dann Ihr Verhältnis zur katholischen Kirche verändert? In erster Linie änderte sich das Verhältnis zu meinen Eltern. Mir war meine Unabhängigkeit immer…