Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.1.2016 Sami Khedira tut Juventus gut. Er ist zwar nicht immer fit, aber meist an der richtigen Stelle.

ROM. Es gibt ein jüngeres Foto von Sami Khedira, auf dem sieht der Fußballer nun wirklich nicht wie ein Fußballer aus. Khedira trägt eine modische Strickjacke, die man heutzutage als Cardigan bezeichnet, er sitzt an einem polierten Holztisch, vor ihm ein Laptop-Computer. In der linken Hand hält der 28-Jährige ein Notizbuch, in das er konzentriert blickt, rechts einen Stift, mit dem er sich Notizen macht. Khedira sieht auf diesem Bild eher aus wie Joachim Löw oder Pep Guardiola. Also wie einer, der über Fußball nachdenkt, und nicht wie jemand, der mit dem Fuß gegen den Ball tritt. Ein Fußball-Hirn, kein Fußball-Spieler. Khedira hat dieses Bild selbst veröffentlicht, man macht das ja heutzutage so in den sozialen Netzwerken. "Spiele vorzubereiten bedeutet mehr, als hart im Mannschaftstraining zu arbeiten. Es bedeutet, Statistiken lesen, Taktik zu analysieren und so weiter", erklärt der Mittelfeldspieler seine konzentrierte Pose. Ein unbekannter "Follower" prognostizierte dem Studiosus eine glänzende Zukunft als Trainer, dabei hat der Fußballprofi natürlich immer noch einiges als Akteur vor. Weltmeister Khedira will im Juli mit

der deutschen Nationalmannschaft Europameister werden und mit seinem Verein Juventus Turin wieder ganz nach vorne kommen. Im Februar steht das Achtelfinale in der Champions League gegen den FC Bayern an, die Aufholjagd der Turiner in der Serie A ist beinahe abgeschlossen. Vor dem Auswärtsspiel an diesem Sonntag gegen Udinese Calcio trennen den italienischen Rekordmeister nur noch zwei Punkte vom Tabellenführer SSC Neapel. Khedira, das Fußball-Hirn. Das Foto ist eine passende Synthese für die Bedeutung des Schwaben bei Juventus Turin. Vergangenes Wochenende erzielte Khedira sogar einen Treffer beim 2:1-Auswärtssieg bei Sampdoria Genua, es war Juves neunter Sieg in Folge und Khediras zweiter Treffer im Juve-Trikot. Vom Mittelfeldspieler mit Talent zum "Bomber" schrieben die italienischen Zeitungen. Als "beeindruckend und mächtig" wertete der "Corriere dello Sport" das Spiel des Deutschen. Doch die Lobeshymnen täuschen über die Schwierigkeiten hinweg, mit denen Khedira bislang in Italien konfrontiert war. Mehrere Verletzungen warfen den Spieler immer…

Christ&Welt / Die Zeit, 14.1.2016 In einem langen Interview, das diese Woche als Buch in 84 Ländern gleichzeitig erscheint, erklärt Papst Franziskus der Welt die Barmherzigkeit. Der Vatikan-Experte Andrea Tornielli hat es geführt.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Interview-Buch mit Papst Franziskus zu machen? Andrea Tornielli: Als ich im März 2015 in der Messe war, in der Papst Franziskus ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit ankündigte, dachte ich mir, es wäre schön, ihm lauter Fragen zu diesem Thema stellen zu können. Ich hatte ihn schon zweimal für »La Stampa« interviewt sowie für ein Buch mit dem Titel »Diese Wirtschaft tötet«. Mir ging es nicht um alle möglichen Fragen, die Franziskus in Interviews oder auf seinen Pressekonferenzen bei den Auslandsreisen beantwortet, das wäre nichts Neues gewesen. Das Gespräch sollte sich nur um das Thema Barmherzigkeit drehen. Erstens läuft gerade das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, und zudem hat er das Thema von Beginn seines Pontifikats an als zentral gekennzeichnet. Barmherzigkeit ist das Kernthema seines Pontifikats. Wie kam es dann zu dem Interview? Tornielli: Ich habe ihm geschrieben. Er hat erst gezögert. Nachdem ich ihm dann aber einen Katalog von etwa 30 Fragen und möglichen Themen zukommen ließ, sagte er zu. Im Wesentlichen kam der Stoff

für das Buch im Juli 2015 bei einem einzigen Treffen zusammen. Anschließend gab es einen längeren E-Mail-Wechsel und ein paar Telefonate mit ihm persönlich, um die Antworten zu korrigieren. Wo genau fand das Gespräch statt? Tornielli: In seiner Wohnung im Gästehaus Santa Marta. In der Suite, in der er als frisch gewählter Papst eigentlich nur ein paar Tage bleiben sollte und in der er heute noch wohnt. Die Wohnung besteht eigentlich nur aus Schlafzimmer, Arbeitszimmer und Wohnzimmer. Ich habe nur das Wohnzimmer gesehen, in dem wir saßen. Ein niedriger Tisch, zwei Sessel, ein kleines Sofa und nur wir zwei. Ich auf einem der Sessel, er auf dem Sofa. Wie lief das Treffen ab? Tornielli: Er hatte die Bibel und die Konkordanz der Kirchenväter vor sich liegen, er hatte einige Zitate vorbereitet. Für mich war das eine einmalige Gelegenheit. Ich hatte nur einen kleinen Block mit den Fragen dabei und…

Badische Zeitung, 16.12.2015

Dem Parlamentsfriseur in Rom droht die Schließung. Das Ende ist noch nicht endgültig besiegelt, aber es naht. Unerbittlich. Die Rede ist von einer italienischen Institution, beinahe einem Heiligtum des parlamentarischen Betriebs in Rom. Ein lichtdurchfluteter Tempel. An den Wänden prangen Jugendstil-Spiegel. Drei Sessel, die Raumschiffen aus den 60er Jahren gleichen, können per Pedal nach oben gefahren werden. Herren, die samt Krawatte im hellblauen Arbeitskittel stecken. Parfümfläschchen, blitzende Scheren und Klingen. Der süße Duft von Rasierwasser. Ein Raum der kurzen Erholung im gnadenlosen Politikbetrieb. Willkommen in der Barberia di Montecitorio, dem Friseursalon im italienischen Abgeordnetenhaus. Auch der Senat, die zweite Parlamentskammer, verfügte bis vor einiger Zeit über einen eigenen Friseursalon. Weibliche Abgeordnete hatten dort sogar einen Dauerwellen-Bonus. Der Besuch beim Figaro in Montecitorio war lange für die Abgeordneten gratis, bis 1990. Man ahnt, auf welche Weise die heute weit über zweitausend Milliarden Euro Schulden des italienischen Staatshaushalts zustande gekommen sind. Die miserable Finanzsituation Italiens macht Sparmaßnahmen nötig. Die parlamentarischen Finanzprüfer haben es auf die Barbiere der Onorevoli abgesehen,

der „Ehrenwerten“, wie Abgeordnete in Italien genannt werden. Auf 630 Abgeordnete kommen sieben Friseure, die ein jährliches Minus von über 400 000 Euro erwirtschaften, das bisher die Staatskasse ausglich. Skandal? Nun ja, Ministerpräsident Matteo Renzi ließ medienwirksam teure Staatskarossen verhökern, aber den Friseuren seiner Abgeordneten will er nicht an den Kragen. Schließlich betreuen die das Wichtigste, über das ein Regierungschef verfügen will, nämlich das Stimmvieh. Dass ein Berufseinsteiger in der Barberia mit 30 000 Euro Jahresgehalt startet und am Ende seiner Karriere 136 000 Euro im Jahr verdient, geschenkt! Problematisch wird so etwas erst, wenn die italienischen Jugendarbeitslosen (Quote: 40 Prozent) davon Wind bekommen. Im Friseursalon bleiben nun immer häufiger mehrere Sessel frei. Das mag mit der gegenwärtigen Vollbartmode oder grassierendem Haarausfall unter den Abgeordneten zusammen hängen. Experten haben festgestellt, dass die Parlamentsfriseure eher auf hausbackene Art die Haare schneiden. Junge Abgeordnete ziehen deshalb schon länger ihre eigenen Etablissements außerhalb des Parlaments vor.…

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.12.2015

Mittelstürmer Higuaín schießt den süditalienischen Traditionsklub 25 Jahre nach Maradona wieder an die Tabellenspitze. Trainer Sarri hat dem SSC modernen Direkt- und Tempofußball verordnet. Schrecksekunden mit Gonzalo Higuaín sind im internationalen Fußball nichts Neues. Manuel Neuer zum Beispiel wird noch Erinnerungen an den Stürmer aus Argentinien haben. Im WM-Finale 2014 setzte Higuaín nach 20 Minuten eine unfreiwillige Vorlage von Toni Kroos knapp neben das Tor, in der zweiten Halbzeit rammte der Torwart den Angreifer ebenso gewagt wie rüde aus dem Strafraum. Inter Mailands slowenischer Keeper Samir Handanovic hatte am Montagabend überhaupt keine Zeit, sich Gedanken über die Gefährlichkeit des 27 Jahre alten Stürmers vom SSC Neapel zu machen, da lag der Ball schon im Kasten. 64 Sekunden hatte es gedauert, bis Higuaín seinen Verein im Spitzenspiel der Serie A zwischen dem SSC Neapel und Inter Mailand mit 1:0 in Führung brachte. "Higuaín, Higuaín", summt man seither am Vesuv und weit darüber hinaus zum Refrain eines ulkigen Songs von Massimo Cannizzaro über den Stürmer, der einen nicht unerheblichen Teil Süditaliens in Atem hält.

Denn Higuaín, der bis 2013 sechs Jahre lang für Real Madrid stürmte, hat in Neapel jahrzehntealte und nie ganz verstaubte Hoffnungen geweckt. Die in der Vergangenheit dominierenden Teams aus Norditalien schwächeln, das ist die Chance für den sich stets im Nachteil wähnenden italienischen Süden. Der SSC Neapel ist nach dem 2:1-Sieg gegen Inter Mailand Tabellenführer in einer Liga, die ihre dominierende Spitzenmannschaft auch nach 14 Spieltagen noch sucht. Das ist unter normalen Verhältnissen nicht mehr als ein freudiges Ereignis für die Betroffenen. Im überdrehten Neapel hingegen feuerten sie nach dem Schlusspfiff Feuerwerkskörper ab und veranstalteten Hupkonzerte. Exakt 25 Jahre ist es her, dass der SSC Neapel alleine an der Tabellenspitze der Serie A stand. Damals war ein Trio mit dem Spitznamen Ma-gi-ca bestehend aus Diego Armando Maradona, Bruno Giordano und Careca bestimmend. Heute liegt Neapel ihm ganz alleine zu Füßen: El Pipita, dem Pfeifchen. Gonzalo Higuaín. Seinen kuriosen…