Don Giovanni Cereti ist 82 Jahre alt und steht einer Kirchengemeinde in Rom vor. Nicht mehr lange, dann ist er seit 60 Jahren katholischer Priester. Vor etwa einem Jahr war er mit dem römischen Klerus bei Papst Franziskus im Vatikan zur Audienz. Am Ende der Versammlung wollte der Papst wissen, ob noch einer der Priester etwas auf dem Herzen habe. Da erhob sich Don Giovanni, strich sein silbergraues Haar zurecht, trat ans Mikrofon und wollte wissen, wie es Franziskus mit den verheirateten Priestern hält. Er kennt viele verheiratete Priester, die von ihrem Dienst suspendiert wurden und den Wunsch hegen, wieder als Seelsorger aktiv sein zu dürfen. Auf der ganzen Welt gibt es etwa 100 000 solcher von der Kirche ausgeschlossenen Priester. Würde Franziskus also einen Weg der Annäherung finden, eine Art Willkommenskultur für verheiratete Priester etablieren? Weil Don Giovanni nicht mehr so gute Ohren hat, verstand er die Antwort des Papstes nicht genau, als er zu seinem Platz zurücklief. Aber auch die Kollegen trauten ihren Ohren kaum. Denn Franziskus sagte: »Das
Thema ist auf meiner Agenda.« Dann erzählte der Papst, er habe erst eine Woche zuvor zwölf altgediente Priester im vatikanischen Gästehaus Santa Marta empfangen. Fünf von ihnen waren verheiratet und deshalb suspendiert. Aber auch sie waren bei der Messfeier in der Hauskapelle zugegen. »Ich habe das Gefühl, das Problem der verheirateten Priester steht vor einer Lösung«, sagt Don Giovanni heute. Und tatsächlich gibt es verschiedene Anzeichen dafür, dass Papst Franziskus nach der quälenden Debatte um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen als Nächstes die Frage des Zölibats angeht. Auf seiner knapp einwöchigen Mexiko-Reise Mitte Februar wird der Papst einen ganzen Tag im Bundesstaat Chiapas verbringen. Die Station ist aus verschiedenen Gründen brisant, hohe Kirchenfunktionäre versuchten dem Papst den Besuch in San Cristóbal de las Casas auszureden, ohne Erfolg. Denn der Abstecher in die Diözese und das Treffen mit den Vertretern der indigenen Gemeinden sind symbolisch aufgeladen. Franziskus will auch deshalb unbedingt…