Es ist bald sechs Wochen her, dass Virginia Raggi vorübergehend die Fassung verlor. Als sie sich den Fotografen beim Amtsantritt auf dem Rathausbalkon präsentierte, flossen Roms neuer Bürgermeisterin die Tränen über die Wangen. Man konnte es verstehen, die 37-jährige Anwältin war von sich selbst überwältigt. Raggi ist in knapp 3000 Jahren Stadtgeschichte die erste Frau im römischen Kapitol. Zudem schien jetzt Wirklichkeit zu werden, was die 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo seit ihrer Gründung vor sieben Jahren als Programm ausgibt: Die Bürger bemächtigen sich endlich der von einer korrupten Politiker-Kaste besetzten italienischen Institutionen. Würde Raggi heute erneut mit Tränen in den Augen ertappt - niemand würde sich wundern. Denn viel komplizierter hätten die ersten Wochen ihrer Amtszeit kaum sein können. Zu Beginn hatte die Römerin große Schwierigkeiten, überhaupt ihr zehnköpfiges Referenten-Team zusammen zu stellen. Der Kandidat für Sport etwa, ein ehemaliger Rugby-Spieler, hatte mit rassistischen Bemerkungen von sich Reden gemacht und fiel deshalb durch. Anschließend verhinderten Grabenkämpfe innerhalb der 5-Sterne-Bewegung einen überzeugenden Start, die italienische Presse schrieb gar von einem „Bandenkrieg“. Nun droht ein regelmäßig wiederkehrendes Phänomen alle guten
Vorsätze Raggis wie Seifenblasen zerplatzen zu lassen: der Müll. Wieder einmal sind etliche Straßen und Viertel mit stinkenden Müllsäcken übersät, 300 000 Tonnen sollen es sein. Roms Ratten (bis zu neun Millionen) feiern. Da wirkt es so, als verwirklichte sich die finstere Prophezeiung des Komikers Beppe Grillo, Gründer der 5-Sterne-Bewegung. Noch in der Nacht des Wahlsieges hatte er vorhergesagt, dass nun dunkle Mächte ans Werk gehen würden, um Raggi Steine, respektive Müllsäcke zwischen die Beine zu legen. Dabei gelangt in diesen Tagen nur ein chronisches, weil nie gelöstes Problem an die Oberfläche. Beinahe jeden Sommer kommt es in Rom zum Müll-Chaos. Seit Raggis Vorgänger Ignazio Marino im Jahr 2013 endlich die von der EU als illegal eingestufte Deponie Malagrotta schließen ließ, müssen vier Mülltrennungsanlagen den gesamten Abfall (1,8 Millionen Tonnen) der Drei-Millionen-Stadt sortieren. Fällt wie jetzt eine Anlage wegen Wartungsarbeiten oder…