Christ&Welt/DIE ZEIT, 17.2.2017 - Die Trump-Regierung will die Welt wieder christlicher machen. Dafür sucht Chefberater Stephen Bannon den Schulterschluss mit konservativen Kräften im Vatikan. Die haben ihre eigene Agenda: Papst Franziskus schwächen und das Rad der Zeit zurückdrehen.

Stephen Bannon, Chefberater von US-Präsident Donald Trump, hat beste Verbindungen in den Vatikan.

Stephen Bannon, Chefberater von US-Präsident Donald Trump, hat beste Verbindungen in den Vatikan.

Am 27. Juni 2014 war Donald Trump noch ein halbseidener New Yorker Milliardär und Stephen Bannon trug noch keine Jacketts. Der Chef der ultrarechten amerikanischen Nachrichtenseite Breitbart News saß an diesem Tag vor seinem Computer in einem Hotel in Los Angeles. Bannon war per Skype mit dem Vatikan verbunden. Dort, in einem prächtigen Renaissance-Palazzo mitten in den Vatikanischen Gärten, im Sitz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, warteten ein paar Dutzend Zuhörer. 50 Minuten lang skizzierte Bannon seine ganz persönliche Apokalypse in einem düsteren Videotelefonat. Am gleichen Tag beging Raymond Leo Kardinal Burke das sechste Jubiläum seiner Nominierung als Präfekt der Apostolischen Signatur, des höchsten Vatikangerichts. Burke spürte damals, im Frühsommer 2014, wie ihm langsam der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Papst Franziskus hatte den erzkonservativen Kardinal im Vorjahr bereits aus zwei Kongregationen abberufen, ein paar Monate später sollte er vom Papst auch als Chef des obersten Vatikangerichts abgesetzt und zum Malteserorden abgeschoben werden – als dessen Kardinalpatron. Burke war schon damals Franziskus’ schärfster innerkirchlicher Kritiker. Während Kardinal Burke sich in der katholischen Hierarchie auf

dem absteigenden Ast befand, legte Stephen Bannon einen kometenhaften Aufstieg in die Spitze der US-amerikanischen Politik hin. Der 63-Jährige ist heute Chefberater Donald Trumps und oberster Stratege im Weißen Haus. Das macht ihn zu einem der einflussreichsten Menschen auf der Welt. Speerspitze der konservativen Internationalen Der Berater des US-Präsidenten und der schärfste Kritiker des Papstes kennen und schätzen sich. Die beiden amerikanischen Katholiken bilden die ideologische Speerspitze einer rechtskonservativen Internationalen, die spätestens mit Trumps Wahlsieg salonfähig geworden ist. Die Rollen sind klar verteilt: Burke gibt den katholischen Ideologen, den Wächter über die Moral. Bannon ist der Strippenzieher im Weißen Haus, im Cockpit der größten Weltmacht. Es handelt sich bei diesem Schulterschluss nicht um eine krude Verschwörung, sondern um einen offenen Feldzug gegen Säkularisierung und Islam. Ganz nebenbei tragen die beiden Männer ihren Teil zur Entstehung einer internationalen rechtspopulistischen Bewegung bei. Der Kardinal und der Berater lernten sich…

Badische Zeitung, 15.2.2017 - Zwei italienische Polizisten erschossen am 23. Januar bei Mailand den Berlin-Attentäter Anis Amri. Offenbar sind Luca Scatà und Christian Movio Sympathisanten der neofaschistischen Szene.

Bis zum 23. Dezember waren Luca Scatà und Christian Movio zwei durchschnittliche italienische Streifenpolizisten. Als sie am frühen Morgen im Mailänder Vorort Sesto San Giovanni den damals meist gesuchten Verbrecher Europas bei einer Routinekontrolle stellten und erschossen, änderte sich ihr Leben schlagartig. Der 36-jährige Movio, der durch einen Schuss Amris an der Schulter verletzt wurde und der 29-jährige Scatà, der anschließend den tödlichen Schuss auf Anis Amri abgegeben hatte, wurden in der öffentlichen Wahrnehmung zu beispielhaften Staatsdienern, die voller Professionalität einen hochgefährlichen und bewaffneten Kriminellen ausgeschaltet hatten. Vor allem in Deutschland, aber auch in Italien atmeten viele Menschen auf. Eine der ersten Reaktionen stammte von der Berliner Polizei. Die Kollegen hatten hilflos miterleben müssen, wie der Tunesier einen Sattelzug in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin gesteuert hatte, zwölf Menschen tötete, Dutzende teilweise schwer verletzte und anschließend im Nichts verschwand. „Grazie“, schrieben die deutschen Beamten auf Twitter und wünschten dem verletzten italienischen Kollegen gute Besserung. Die italienische Presse überschlug sich in ihren Titeln. Auch die „Welt“ schrieb von „Europas

Helden“, der „Daily Telegraph“ rühmte „Italys heroes“, Italiens Helden. Die Rollen zwischen Gut und Böse waren klar verteilt. Keine Vorbilder Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Scatà und Movio kaum als Vorbilder taugen. Beide waren zufällig an den in einer europaweit ausgeschriebenen Fahndung 24-jährigen Attentäter geraten, der bei der Personenkontrolle vor dem Bahnhof von Sesto San Giovanni seine Waffe zog. Wie die Bild-Zeitung berichtetem hatte die deutsche Bundesregierung offenbar erwogen, die beiden italienischen Polizisten auszuzeichnen. Als dann Details über ihr Privatleben zum Vorschein kamen, sah man von einer Ehrung lieber ab. Ihren inzwischen nicht mehr einsehbaren Facebook-Profilen zufolge sind Movio und Scatà erklärte Sympathisanten der neofaschistischen Szene. Der aus dem Friaul stammende Norditaliener Movio hatte in seinem Profil mehrere ausländerfeindliche Einträge gemacht. Im August 2014 postete er das Bild einer Coca-Cola-Flasche mit der Aufschrift „Adolf“ und darunter eine Fotomontage von Adolf Hitler mit dem Schriftzug „Thanks Bro“ (Danke Bruder). Der Sizilianer…

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.10.2016 - Der Serie-A-Verein US Sassuolo hat mit jungen, italienischen Spielern und einem Industrie-Koloss im Rücken Erfolg.

Es ist noch nicht lange her, da war die Kleinstadt Sassuolo vor allem für Anisschnaps, frittierte Gnocchi und als Zentrum der italienischen Fliesenindustrie bekannt. Ein eher unscheinbarer, 41 000 Einwohner fassender Ort, umgeben von anderen schönen italienischen Städten namens Parma, Modena oder Bologna. Inzwischen hat sich diese Sichtweise gewandelt und das ist in erster Linie dem örtlichen Fußballverein zu verdanken. Als eine Art Aschenputtel des calcio wurde US Sassuolo erst ignoriert, dann unterschätzt. Inzwischen wird der Club sogar international bewundert. Die Geschichte der Unione Sportiva Sassuolo Calcio ist schon bald 100 Jahre alt. Das Kleid des zur Bedeutungslosigkeit verdammten Provinzclubs begann der Verein erst seit 2002 abzustreifen. Damals begann der Unternehmer Giorgio Squinzi seine Investitionen aus der vom Doping verseuchten Welt des Radsports in den Fußball umzuleiten. Anstatt das nach seiner Firma Mapei benannte Radsportteam weiter zu unterstützen, übernahm Squinzi US Sassuolo. Nach vielen Jahren in niederen Spielklassen gelang dem Team 2013 schließlich der Aufstieg in die Serie A. Squinzi, eigentlich ein Fan des AC Mailand, erwarb damals

auch das Fußballstadion von Reggio Emilia und stellte es dem Verein zur Verfügung, der damit nach Juventus Turin und Udinese Calcio der dritte italienische Erstligist mit eigenem Stadion war. In der vergangenen Saison kamen durchschnittlich nur 11 000 Zuschauer zu den Heimspielen, dafür gelang erstmals die Qualifikation für die Europa League. Wenn man Generaldirektor Giovanni Carnevali nach den Gründen für den Erfolg fragt, dann verweist er erst einmal auf den „Weitblick unseres Eigentümers Doktor Squinzi“. Squinzi, der bis Frühsommer für vier Jahre Präsident des italienischen Arbeitgeberverbandes war und einer der größten Industriellen Italiens ist, habe den „kleinen Verein übernommen, um ihn groß zu machen“.   Wie groß, wird sich erst noch zeigen. Fest steht, dass Squinzis Firma Mapei sich mit Sassuolo auch ein inzwischen europaweit ausstrahlendes Aushängeschild geschaffen hat. Die Verbindung zwischen US Sassuolo und dem Mapei-Konzern, der unter anderem Fliesenkleber und andere chemische Bauprodukte herstellt, ist eng. Präsident des Vereins ist Squinzis…

Christ&Welt/DIE ZEIT. 10.2.2017 - Wie Franziskus die Weltkirche verändert, indem er sie an die Freiheit des Katholiken glauben lässt.

Die Angelegenheit klingt verrückt. Da reibt sich die größte Gemeinschaft des Christentums in jahrelangen Diskussionen um eine Frage auf, die nur Spezialisten verstehen: Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene, Ja oder Nein? Die Debatte wirkt wie die hinterwäldlerische Diskussion, in die sich die katholische Kirche unter Papst Franziskus verstrickt hat, die sie aber dennoch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt. Man könnte den Fall abtun mit dem Eindruck, dass die Kirche sich endgültig verabschiedet hat aus der Wirklichkeit. Doch so leicht ist die Sache nicht. Vergangene Woche sind auch die deutschen Bischöfe dem Papst gefolgt. In ihrer Interpretation des Papstschreibens Amoris laetitia über Ehe und Familie und die Rolle, die die Kirche auf diesem Gebiet spielen soll, erweisen sich die Bischöfe als Erfüllungsgehilfen von Franziskus. Katholiken, die ein zweites Mal standesamtlich geheiratet haben und deshalb nach der strengen katholischen Lehre Ehebruch begehen, dürfen in Ausnahmefällen nun auch in Deutschland ganz offiziell zur Kommunion. So konnte, ja musste man Amoris laetitiaverstehen. In vielen Gemeinden ist diese Haltung schon lange Praxis. Die Entscheidung ist deshalb weder überraschend noch besonders mutig.

Aber es ist Teil eines epochalen Veränderungsprozesses in der katholischen Kirche. Die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene ist das Trojanische Pferd, das der Papst der katholischen Kirche vor ihre unüberwindbar scheinenden Mauern gebaut hat. Die Bischöfe, zumindest die deutschen, zerren es nun ins Innere des Gebäudes. Existenzbedrohende Gedanken Im Pferd verstecken sich nicht griechische Soldaten, sondern ein Gedanke, dessen Inhalt existenzbedrohend für die Kirche ist. Der Gedanke heißt Gewissensfreiheit. Der Papst gibt in Amoris laetitia zu verstehen, dass der Kommunion-Empfang für die (numerisch kleine) Spezies der wiederverheirateten Geschiedenen möglich ist, wenn die Betroffenen den Schritt mit ihrem Gewissen vereinbaren. So ähnlich hat der Papst sich auch bei seinem Besuch in einer römischen protestantischen Kirche im November 2015 auf die Frage der gemeinsamen Kommunion von gemischtkonfessionellen Paaren ausgedrückt. "Seht selbst", sagte Franziskus damals, und "geht voran!" So lautet die neue Devise in der katholischen Kirche. Eine der einflussreichsten Bischofskonferenzen, die deutsche,…