Süddeutsche Zeitung, 24.8.2017 - 1944 sucht die Wehrmacht in der Toskana nach Robert Einstein, einem Cousin und Freund von Albert Einstein. Die Deutschen ermorden Frau und Töchter. Nur die Nichten Lorenza und Paola überleben. Ein Gespräch

Paola und Lorenza Mazzetti vor der Villa Il Focardo. Foto: Film-Produktion

Paola und Lorenza Mazzetti vor der Villa Il Focardo. Foto: Film-Produktion

Am 3. August 1944 bricht für Lorenza und Paola Mazzetti eine Welt zusammen. In einer Villa in der Toskana ermorden deutsche Soldaten die Adoptivfamilie der Zwillingsschwestern. War das eigentliche Ziel dieses Massakers der in die USA emigrierte Physiknobelpreisträger Albert Einstein? Die heute 90-jährigen Schwestern sind die letzten lebenden Zeugen. Am 24. August kommt der Film "Einsteins Nichten" von Regisseur Friedemann Fromm in die deutschen Kinos. Wir haben die Protagonistinnen vorab gesprochen. SZ: Das Drama Ihres Lebens beginnt mit dem Tod der Mutter, kurz nach der Geburt im Jahr 1927. Lorenza Mazzetti: Wir haben unsere Mutter nie kennengelernt. Die Ärzte dachten, sie hätte einen Tumor im Bauch. Niemand ahnte, dass sie Zwillinge auf die Welt bringen sollte. Paola Mazzetti: Unser Vater war verzweifelt angesichts ihres Todes. Wir wuchsen zunächst mit einem Kindermädchen auf. Wie kamen Sie zur Familie Einstein? Lorenza: Die Schwester unseres Vaters, Cesarina Mazzetti, genannt Nina, machte ihrem Mann den Vorschlag, uns zu adoptieren. Sie sagte: Robert, wir haben schon zwei Töchter, aber da sind meine beiden Nichten, die keine Mutter

mehr haben, der Vater schafft es nicht. Lass uns die beiden nehmen und sie aufziehen! Robert Einstein war der Cousin und ein enger Vertrauter von Albert Einstein. Beide wuchsen zunächst in München und nach dem Umzug der elterlichen Elektrofirma nach Pavia in Italien auf. Welche Rolle spielte Albert Einstein in Ihrer neuen Familie? Paola: Wir verdanken den Einsteins unheimlich viel. Es herrschte ein Geist von großer Freiheit. Das waren keine Snobs oder Menschen, die sich verstellten. Es herrschte so etwas wie eine Hippie-Mentalität. Wir lernten, frei zu denken. Lorenza: Die Familie Einstein verkörperte eine ganz spezielle Mentalität, die auch wir aufgesogen haben. Die Schwester von Robert Einstein war Physikprofessorin in Zürich. Auch Alberts Schwester Maja, die bei Florenz wohnte, und die wir oft besuchten, verkörperte einen besonderen Geist. Viele Künstler waren bei ihr zu Besuch, stets wurde Musik gemacht. Wie haben Sie Albert Einstein persönlich erlebt? Lorenza: Wir waren noch sehr jung,…

FAZ, 30.5.2017 - Francesco Totti war der AS Rom. Nun macht er nach 25 Jahren Schluss. Was wird der Klub ohne ihn sein?

Was nun, Francesco Totti?

Was nun, Francesco Totti?

In welchem Moment exakt das Jahr 1 n.T. (nach Totti) begann, ist schwer zu sagen. Vielleicht startete die neue Zeitrechnung für den AS Rom, als der Kapitän am Sonntagabend nach der Partie gegen den CFC Genua bei seiner Ehrenrunde vor der Gegengeraden innehielt, sich auf eine Werbebande stützte und zusammen mit seinen 60 000 Verehrern im römischen Olympiastadion in einen Weinkrampf ausbrach. Vielleicht wurde Francesco Totti sich auch erst bewusst, dass es jetzt vorbei ist, als er vor der Südkurve zum Stehen kam, in der der harte Kern der Roma-Tifosi zuhause ist. Totti legte beide Hände hinter den Kopf, neigte das Haupt und sank erneut in sich zusammen. Selbst vergleichsweise unbeteiligte Beobachter vergossen in diesen Momenten mindestens eine Träne für die größte lebende Identifikationsfigur Roms. Es ist dies der Schlüssel zum Verständnis der Ikone Totti: In einer Stadt, die wie keine andere Metropole auf der Welt von ihrer Vergangenheit zehrt, hat dieser Fußballer den Menschen die Illusion einer immer noch großartigen Gegenwart beschert. „Du warst ein Traum“, titelte der in

Rom ansässige Corriere dello Sport am Dienstag und fasste so das Verdienst Tottis um sein Volk zusammen. In ihm, der 25 Spielzeiten lang ununterbrochen das gelb-rote Dress des Vereins seiner Heimatstadt getragen hat, bündelten sich nicht nur die Sehnsüchte und Projektionen der Römer, sondern auch Frust, Enttäuschungen und Beschränktheiten. Der Fußballer Totti war das Alter Ego der ewigen Stadt, die nun in gewisser Weise ihres weltweit bekannten Botschafters und damit ein Stück weit ihrer eigenen Identität beraubt ist. Ein Großteil der Tifosi trug auf dem Weg zum Stadion weinrote Roma-Trikots mit Tottis Namen und der Nummer 10, nicht wenige von ihnen handsigniert. Noch vor Anpfiff der Partie gegen den CFC Genua drehte ein Propellerflugzeug seine Runden über dem Stadion und zog einen Banner mit der Aufschrift „Grazie capitano“ hinter sich her. Einen Hauch von Tragik steuerte die Tatsache bei, dass der 40 Jahre alte Hauptdarsteller auch am „Totti Day“ (Gazzetta dello Sport)…

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Mai 2017 - Gianluigi Buffons Karriere bietet Stoff für mindestens drei Fußballer-Leben. Ein Kapitel fehlt dem Juve-Torwart noch: der Sieg in der Champions League.

Wer hat Angst vor diesem Mann? Gianluigi Buffon hat auf Stürmer eine einschüchternde Wirkung.

Wer hat Angst vor diesem Mann? Gianluigi Buffon hat auf Stürmer eine einschüchternde Wirkung.

Man weiß nicht, wie sehr Gianluigi Buffon bereits an seiner eigenen Legende strickt. Die Geschichte, die er am Wochenende zum Besten gab, klang jedenfalls gut. Vielleicht muss man sich den Torhüter von Juventus Turin vor dem Spiel gegen den FC Barcelona so vorstellen: in sich gekehrt, konzentriert. Buffon, 39 Jahre alt, hat die Augen geschlossen und schwört sich, er werde seine Fußball-Karriere in diesem Frühsommer beenden, wenn es Barcelona nicht gelingt, ein Tor gegen ihn zu erzielen. Bis vor kurzem galt das Stürmer-Trio um Lionel Messi, Neymar und Luis Suárez als die furchterregendste Triade im Fußball. Wer diesen Meistern der Ballistik widersteht, muss selbst Elemente des Übernatürlichen in sich tragen und hat demnach auf dieser Fußballwelt seine Pflicht getan. So könnte Buffons Innenleben in diesem Moment ausgesehen haben.Gewiss ist, der FC Barcelona erzielte in beiden Viertelfinalspielen vor ein paar Wochen keinen einzigen Treffer gegen Juventus Turin. Dank dreier Tore im Hinspiel zogen die Italiener ins Halbfinale der Champions League ein, in dem sie an diesem Mittwoch auf den AS Monaco treffen. Buffon wird trotz seines stillen Schwurs weitermachen.

Juventus-Präsident Andrea Agnelli habe ihm mit Erfolg gut zugeredet, erzählte der Keeper. "Super-Gigi", wie der Sportler in ganz Italien genannt wird, gedenkt, seinen bis 2018 laufenden Vertrag bei Juventus zu erfüllen, und kann sich ganz auf seine verbleibende Mission konzentrieren. "Wenn wir noch eine Chance auf den Gewinn der Champions League haben wollen, müssen wir die nächste Hürde nehmen, und das wird ebenso schwer wie gegen Barcelona", sagte der Kapitän vor dem Hinspiel in Monaco. Wer im Halbfinale eines Wettbewerbs steht, der will ihn auch gewinnen. Aber man liegt nicht falsch, wenn der Gewinn der Champions League für Buffon einen noch höheren Stellenwert hat. Vielleicht ist dieses Ziel sogar der eigentliche Antrieb seiner nicht enden wollenden Karriere. Buffon, der 1995 im Alter von 17 Jahren für den AC Parma sein Debüt in der italienischen Serie A gab, reiht Rekord an Rekord, er kann in diesen Tagen mit Juventus Turin zum…

Mittelbayerische Zeitung, 11.4.2017 - Benedikt XVI. feiert an Ostern seinen 90. Geburtstag. Erst jetzt werden die Konsequenzen seines Rücktritts vor vier Jahren deutlich.

Im vollen Ornat: Papst Benedikt XVI., in seiner aktiven Amtszeit mit rotem Hut.

Im vollen Ornat: Papst Benedikt XVI., in seiner aktiven Amtszeit mit rotem Hut.

Es ist schon über ein Jahr her, dass Benedikt XVI. im weißen Wintermantel und gestützt auf einen schwarzen Gehstock vor seiner Bleibe im Vatikan stand und die Ehrerbietungen einer Besuchergruppe aus Süddeutschland entgegennahm. Es gab Geschenkkörbe und freundliche Worte. Ein Mann aus der Gruppe sagte, man würde sicher bald auch zum 90. Geburtstag gratulieren. Benedikt XVI. lehnte dankend und mit einem Schmunzeln ab: „Na, lieber ned“, sagte der emeritierte Papst mit hörbar bayerischem Einschlag. Seine Antwort war kein Affront, sie klang schlicht nach Lebensmüdigkeit. Nun ist es doch so weit. Am Ostersonntag wird Benedikt XVI. 90 Jahre alt. An diesem Hochfest zieht ein Ex-Papst besser wenig Aufmerksamkeit auf sich. Erst einen Tag später wird Joseph Ratzinger eine mittelgroße Feier abhalten. 30 bayerische Gebirgsschützen machen ihre Aufwartung, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Ehefrau sowie ein paar andere Ehrengäste haben sich angekündigt. Die rund 50 Gratulanten werden auf einen sehr alten Mann treffen, der im Kopf noch hellwach ist, aber kaum noch gehen kann. Wenn er sich nicht auf seinen Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein

oder einen Gehstock stützt, dann nimmt er schon seit geraumer Zeit die Dienste eines Rollators in Anspruch. Diesem Alterungsprozess steht eine ganz andere Entwicklung gegenüber, deren Tragweite sich erst jetzt langsam erschließt. Die päpstliche Ko-Existenz Oberflächlich betrachtet herrscht im Vatikan fast Routine angesichts der zwei Männer in Weiß, die im Schatten des Petersdoms relativ umtriebig ihr Tagwerk verrichten. Papst Franziskus ist der Chef, daran zweifeln nicht einmal mehr seine hartnäckigsten Gegner. Bergoglio und Ratzinger begegnen sich regelmäßig, was nicht heißen muss, dass sie in allem einer Meinung sind. Es kann gut sein, dass Franziskus seinem Vorgänger auch am Sonntag persönlich gratulieren wird. Sie schreiben sich Briefe, der Kontakt ist rege. Die päpstliche Ko-Existenz sei etwa so, wie den Großvater im eigenen Haus zu haben, sagte Franziskus zu Beginn seines Pontifikats. Eine harmlose Bemerkung, die auch insofern zutrifft, als dass Großväter manchmal ziemlich platzergreifend sein können. Die…