Rheinische Post, 18.12.2017

Es war kein bombastischer Empfang für einen König, aber es war doch ein Empfang. Der Bürgermeister war mit seiner Schärpe gekommen, der Rektor der Wallfahrtskirche, der lokale Polizeichef. Ein paar Journalisten waren auch da sowie eine Handvoll Anhänger des Königshauses von Savoyen, als die sterblichen Überreste von Italiens de facto letztem amtierenden König am Sonntag in seine italienische Heimat überführt wurden. Viktor Emanuel III. (1869-1947) liegt nun in einem Sarkophag in der Wallfahrtskirche von Mondovì, eine Autostunde südlich von Turin. Ob sein Leichnam hier auch Ruhe finden wird, wie es der Priester in seiner Andacht wünschte, steht dahin. Dass ein König 70 Jahre nach seinem Tod in dem einst von ihm regierten Land beigesetzt wird, kann kaum als Stein des Anstoßes herhalten. Viktor Emanuel III. ging nach Einführung der Republik 1946 ins ägyptische Exil, wo er im Folgejahr starb, einen Tag nach Unterzeichnung der italienischen Verfassung. Es sind eher die Umstände, unter denen die Rückführung seiner Überreste nun geschah. Am Freitag war bereits seine Gemahlin Elena aus ihrem Grab in Montpellier nach Mondovì transportiert worden. Klammheimlich sollte

alles vor sich gehen, denn Viktor Emanuel II. gilt vor allem wegen seiner Rolle während des italienischen Faschismus als persona non grata in Italien. Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen den Nachkommen und dem Staatspräsidenten war zum 70. Todestag nun offenbar der Zeitpunkt gekommen. Staatspräsident Sergio Mattarella hatte die Rückführung aus Alessandria in einer Cargo-Maschine der Luftwaffe genehmigt, darüber rümpften manche bereits die Nase. Die Erben übernahmen nur die Kosten der Bestattung. Angehörige und Verehrer umhüllten den Sarg des Mannes zur Aussegnung mit einer Savoyer-Fahne. In der Rückführung sehen sie zudem nur eine vorläufige Zwischenstation. Der König möge seine allerletzte Ruhe im römischen Pantheon finden, forderte Emanuele Filiberto. „Das Pantheon ist die letzte Ruhestätte der italienischen Könige, Viktor Emanuel III war der letzte König und hat 46 Jahre lang regiert“, schlussfolgerte der aus Realityshows bekannte Urenkel. Diese Ehre gebühre selbstverständlich auch seinem Urgroßvater. Das sehen…

Badische Zeitung, 8.12.2017

Das Vaterunser ist das wichtigste Gebet des Christentums, auch viele Nicht-Gläubige können es auswendig aufsagen. Man sollte meinen, das Gebet sei ein festgezurrter Anker im Sammelsurium des Glaubens. Nun hat Papst Franziskus höchstpersönlich Zweifel am Vaterunser, genauer gesagt an der Übersetzung des christlichen Hauptgebets geäußert und damit eine Debatte befeuert, die an die Grundsätze des katholischen Glaubens und das darin enthaltene Gottesbild geht. Es geht um die vorletzte Vaterunser-Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“. Franziskus sagte am Mittwoch in einem Interview mit dem Fernsehsender der italienischen Bischofskonferenz TV 2000, die Passage „und führe uns nicht in Versuchung“ sei „keine gute Übersetzung“. Nicht wenige Katholiken bemängeln, der Papst rüttele spätestens seit der Veröffentlichung seines Apostolischen Schreibens „Amoris Laetitia“ im April 2016 an den Dogmen des Katholizismus. Vier namhafte Kardinäle zweifelten anschließend sogar öffentlich am Lehramt des Papstes. Jetzt nimmt Franziskus offenbar auch das Vaterunser und seine Übersetzung ins Visier. Grund für die Zweifel des Papstes ist die Überlegung, Gott könne eigentlich gar nicht in Versuchung führen. „Derjenige, der uns in Versuchung führt, ist

Satan“, sagte Franziskus. Ein Vater lasse einen nicht fallen. „Ein Vater hilft dabei, sofort wieder aufzustehen“, sagte der Papst und wies auf einen Beschluss der französischen Bischofskonferenz hin, die kürzlich das Vaterunser in der betreffenden Passage neu fassen ließ. In katholischen Gottesdiensten in Frankreich wird seit dem ersten Adventssonntag die Formel „Lass uns nicht in Versuchung geraten“ verwendet. Müssen Katholiken in Deutschland und Österreich demnächst also ihr Hauptgebet umlernen? Der Vatikan hielt sich am Donnerstag bedeckt. „Bisher handelt es sich um ein Gespräch des Papstes mit einem Journalisten“, hieß es von offizieller Seite. Vatikansprecher Greg Burke sagte dieser Zeitung, bei der Übersetzungskritik des Papstes handelte es sich noch nicht um eine echte Aufforderung zur Abänderung, sondern um eine „Einladung zum Nachdenken“. Offizielle Stellen im Vatikan haben die Änderung der französischen Version des Vaterunser schon länger abgesegnet. Im Jahr 2013 genehmigte die Kongregation für die Gottesdienste die Neuübersetzung.…

Rheinische Post, 27.11.2017 - Warum sich Papst Franziskus während seiner Asienreise in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen stürzt.

Es soll Diplomaten im Vatikan geben, die Papst Franziskus von seiner Reise nach Myanmar und Bangladesch abgeraten haben. Und dennoch ist Franziskus seit Sonntag unterwegs, auf dem Weg in einen komplizierten und grausamen Konflikt. Mehr als 600 000 Menschen muslimischen Glaubens sind seit Sommer aus Myanmar nach Bangladesch vor Tod und Verfolgung geflohen. Ihre Lebensbedingungen sind denkbar schlecht. Myanmar ist ein buddhistisch geprägtes Land, dessen Militär die Rechte der muslimischen Minderheit der Rohingya in der Grenzprovinz Rakhine systematisch verletzt. Menschenrechtler sprechen von Völkermord, westliche Regierungen von „ethnischen Säuberungen“ durch das Militär. Dennoch hat Charles Bo, der erste und von Franziskus vor zwei Jahren ernannte Kardinal von Myanmar, den Papst gebeten, besonders vorsichtig mit seiner Wortwahl zu sein. Allein der Begriff „Rohingya“ ist politisch besetzt. Wer „Rohingya“ sagt, der fordert aus Sicht der immer noch bestimmenden Militärs im Land implizit Rechte für diese Minderheit, die Myanmar und seine Generäle dieser Volksgruppe vorenthalten. Wenn der Papst nun Porzellan zertrümmert, müssen Minderheiten büßen, so lautet die Befürchtung. Wird Franziskus das R-Wort

also vermeiden und sich so ebenfalls angreifbar machen? Der Papst begibt sich auf seiner bis Freitag dauernden Reise auf diplomatisches Glatteis. Warum stürzt sich das Oberhaupt der Katholiken in eine so komplizierte Mission, in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen? Seine dritte Asienreise entspricht dem Selbstverständnis dieses Papstes. In Myanmar und Bangladesch begibt sich Franziskus ganz besonders an die „existenziellen Peripherien“, die er seit Beginn seines Pontifikats zum Zentrum der Kirche machen will. Dieses Programm zielt zum Ärger katholischer Puristen nicht nur auf verfolgte Christen, sondern auf Verfolgte und Benachteiligte aller Art. Der Papst setzt auf die einigende Kraft des interreligiösen Dialogs, insbesondere da, wo Religion als Mittel zum Machterhalt benutzt wird. Die Kämpfe militanter ethnischer Gruppen gegen das Regime in Myanmar dauern seit der Staatsgründung 1948 an. Der Rohingya-Konflikt ist das Extrem dieser Krise, das erstmals global für Entrüstung sorgt. Man muss nur an die Regensburger Rede Benedikt XVI. von…

Augsburger Allgemeine, 18.11.2017 - Deutsche Angler und rumänische Wilderer gehen in Italien auf Wels-Jagd. Der italienische Staat schaut dem wilden Treiben auf dem Fluss unbeteiligt zu. Dabei geht es nicht nur um die großen Fische, sondern um ein Millionengeschäft mit zuweilen kriminellen Zügen.

Angerglück am Po. Fotos: Max Intrisano

Angerglück am Po. Fotos: Max Intrisano

Der Kampf beginnt um sieben Uhr Früh. Die Sonne ist gerade über dem Po aufgegangen, als Tobias Oppacher und Thomas Schedlbauer von einer hellen Klingel geweckt werden. Auf jeder ihrer sechs Angeln haben die beiden ein Glöckchen platziert. Es muss ein Monstrum von einem Fisch am Haken hängen, so laut bimmelt es. Die beiden springen mit der Angel in ein kleines Schlauchboot und lassen sich flussabwärts treiben. „Die Strömung, der Sonnenaufgang, der große Fisch an der Angel, es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl“, sagt Oppacher. Wer diese Mischung aus Jagdtrieb, Naturgewalten und Adrenalin mag, der fährt mindestens einmal in seinem Leben an den Po. Oppacher, 30 Jahre alt, war schon sechsmal da. Anderthalb Stunden später ist soweit, der Wels zappelt in Sichtweite. Schedlbauer streift einen Bauarbeiter-Handschuh über und bekommt den Fisch am Kiefer zu greifen. Mit vereinten Kräften und Urlauten ziehen die Angler den Fisch ins Boot. Dann steuern sie eine Sandbank an, Oppacher und Schedlbauer legen ihre vorzeitliche Beute mit ihrem riesigen Maul und ihren

Barteln, die wie Antennen wirken, auf einer Plane ab und nehmen Maß. 2,20 Meter Länge, zwischen 70 und 80 Kilogramm Gewicht. „Der Wahnsinn!“, sagt Schedlbauer. Sie schießen Erinnerungsfotos, wenig später schwimmt der riesige Fisch wieder im Fluss. Der Po ist Europas letztes Anglerparadies, ein Garten Eden für Fischer, in dem der Sündenfall zum Alltag geworden ist. Der Fluss in Norditalien ist naturbelassen und wird von den Einheimischen weitgehend ignoriert. Angler aus Deutschland und Österreich sowie Wilderer aus Rumänien und Ungarn haben den Po hingegen als ihr Revier in Beschlag genommen. Seit bald zwei Jahrzehnten tummeln sie sich hier schon. Die Szene bleibt unter sich, beinahe ungestört vor staatlicher Kontrolle. Der Po ist Niemandsland, eine Art Wilder Westen für Angler in Norditalien. 17 sogenannte Waller-Camps reihen sich zwischen Cremona und der Po-Mündung in die Adria aneinander. Die Betreiber, fast alle aus Deutschland oder Österreich, haben sich den Fluss mit inoffiziellen Absprachen aufgeteilt. Die Konkurrenz…