Es ist früher Nachmittag auf der Piazza della Signoria im Zentrum von Florenz. Ein Aufpasser weist die hemmungslosen Touristen mit der Trillerpfeife zurecht. Verächtlich scheint Michelangelos David-Statue vor dem Rathaus das Treiben zu betrachten. Ein groß gewachsener grauhaariger Mann fällt auf im Trubel der T-Shirt- und Shorts-Träger, in seinem dunkelblauen Anzug samt Krawatte. Mit mächtigem Schritt kommt Eike Schmidt auf uns zu. Unverkennbar, dass sich da einer auf wichtiger Mission befindet. Der 56-jährige gebürtige Breisgauer will Bürgermeister von Florenz werden, allein das schon ein Kuriosum. Schmidt, der mit einer Italienerin verheiratet ist und im vergangenen Jahr auch die italienische Staatsbürgerschaft angenommen hat, ist zudem ein Quereinsteiger. Als Kunsthistoriker leitete er bis Dezember die weltberühmte Gemäldegalerie der Uffizien und machte Schlagzeilen über die Stadtgrenzen hinaus. Schmidt kandidiert bei der Wahl am 8. und 9. Juni mit einer eigenen Bürgerliste, er lässt sich aber von den drei Parteien der in Rom amtierenden Rechts-Koalition Giorgia Melonis unterstützen. Dabei ist Florenz eigentlich eine linke Hochburg, die seit Jahrzehnten von Postkommunisten und Sozialdemokraten regiert wurde. Jetzt tritt der deutsche
Kunstmanager im Schlepptau einer Partei an, die aus der Tradition des italienischen Neofaschismus hervorgegangen ist. Auf Stadtbussen prangt sein Porträt neben dem Melonis, darunter das Emblem von deren Partei Fratelli d’Italia: die Flamme in den Nationalfarben Italiens, Symbol der neofaschistischen Vorgängerorganisation MSI. Die erstaunliche Verbindung eines deutschstämmigen Kunsthistorikers mit der Rechtsaußen-Partei hat taktische Gründe. Denn Meloni und ihre Koalitionspartner von der nationalistischen Lega und der Berlusconi-Partei Forza Italia ahnen, dass der Außenseiter ihnen einen ungeheuerlichen Triumph bescheren könnte, vielleicht mit Folgen für das ganze Land. Und Schmidt, ein Kultur-Abenteurer, dem keine Herausforderung groß genug zu sein scheint, profitiert ebenfalls vom Pakt. Andere würden sich am Bungee-Seil von Brücken stürzen, aber das sei nichts für ihn, sagt er. „Ich habe immer Lust am Ungewöhnlichen gehabt.“ Hinab also in die Niederungen der italie- nischen Lokalpolitik. Florenz, das bedeutet nicht nur weltberühmte Museen, Renaissance-Paläste und Kirchen, sondern auch sechsspurige…