Es war Halbzeit, Ungarn lag am Montagabend mit 0:1 gegen Italien zurück. Da also die Lage noch keineswegs aussichtslos war, ließen sich die Veranstalter in der Budapester Puksás-Arena eine kleine Gemeinheit anlässlich des letzten Spiels der Gruppenphase in der Nations League einfallen. Auf der Videoleinwand im Stadion waren bewegte Bilder zu sehen, auf denen ein Spieler in azurblau einen Elfmeter verschießt. Die Situation hat in Italien den Stoff für ein kollektives Trauma. Denn hätte der in Brasilien geborene Italiener Jorginho im vergangenen November im Stadio Olimpico von Rom den Ball im Spiel gegen die Schweiz nicht über das Tor gedroschen, wäre Italien im Winter wohl bei der WM dabei. Als Gastgeber diese Szene einzuspielen, war also kein Akt der Freundlichkeit. Man muss die Mannschaft von Roberto Mancini allerdings gar nicht explizit an ihre selbstgemachten Dramen erinnern. Dass der viermalige Weltmeister und amtierende Europameister Italien zum zweiten Mal hintereinander eine WM verpasst, steckt der Nation längst in den Genen. Sogar der etwas überraschende Einzug in das Final
Four der Nations League, den Italien mit einem verdienten 2:0-Sieg gegen Ungarn bewerkstelligte, kann nicht über diese Tatsache hinwegtäuschen. Man musste am Dienstag nur die Titel der Zeitungen in Italien lesen, um zu verstehen, wie tief das Trauma trotz sitzt. „Wie traurig!“ titelte der Corriere dello Sport und schrieb: „Der Schmerz über die verpasste WM-Qualifikation ist größer.“ „Italien, bittere Freude“, war auf der ersten Seite der Gazzetta dello Sport zu lesen und darunter: „Wir sind bei den Final Four, aber das ist kein Trost“. Es ist ja tatsächlich eine nicht zu beantwortende Frage, warum die italienische Nationalmannschaft ihre Anhänger mit derartig unterschiedlichen Leistungen um den Verstand bringt. Erst der EM-Titel, dann Unentschieden gegen Bulgarien, die Schweiz und Nordirland in der WM-Qualifikation. Zuletzt ein 0:1 im Playoff gegen Nordmazedonien und die fußballerische Apokalypse. Gegen Ungarn und zuvor gegen England war ein engagiertes Team zu sehen, das mit jungen Spielern den Gegner stark unter Druck setzte,…