Er war der bekannteste Vertreter seiner Zunft und zweifellos ein Original. Pater Gabriel Amorth, ehemaliger Chef-Exorzist der Stadt Rom. Am vergangenen Freitag ist er im Alter von 91 Jahren gestorben. Wer ihn noch vor ein paar Jahren in seinem schlichten Zimmer in einem römischen Priesterwohnheim besuchte, der begegnete einem alten Mann, der durchaus kurzweilig von seiner Lebensaufgabe erzählten konnte.
Allein Amorths Erscheinung machte bereits Eindruck. Nicht besonders groß, ein kahler, wuchtiger Kopf, eine Brille mit silbernem Rand. Aus seinem Mund sprudelten Erzählungen vom Teufel, die den Mann teilweise selbst zum Schmunzeln brachten. Seine Aufgabe und die täglichen Rendezvous mit den Dämonen nahm Amorth jedoch bis zum Schluss todernst.
1986 wurde der in Modena geborene Priester vom römischen Kardinalvikar zum offiziellen Exorzisten der Diözese Rom ernannt, gegen seinen Willen. Amorth, der nach dem Krieg im Widerstand gegen das faschistische Regime in Italien aktiv war, hatte zuvor noch nie einen Exorzismus betrieben, seinem Vorgesetzten zu Folge aber Talent. Wie er später erklärte, zählte dazu vor allem eine Eigenschaft. Man müsse an den Teufel glauben, sonst sei es verständlicherweise schwer, ihm entgegen zu treten.
Auch die Kirche, insbesondere ihre Spitze, sei nicht gefeit gegen die Angriffe des Bösen, sagte Amorth. Ein Kardinal habe ihm einst gestanden, dass er nicht an den Teufel glaube. Sein Fazit: „Will man den Glauben verlieren, dann genügt es in den Vatikan zu gehen!“ Amorth, der der italienischen Christdemokratie und deren Nestor Giulio Andreotti eng verbunden war, hat seine Exorzismen nie exakt gezählt.
Manche behaupten er habe seit 1986 70 000 Exorzismen betrieben, andere sprechen von 160 000. Er selbst rückte diese Zahlen einmal zurecht, indem er erklärte, nicht bei alle Begegnungen habe es sich um regelrechte Exorzismen gehandelt. Die große Menge seien Befreiungsgebete gewesen, sogenannte große Exorzismen wegen akuter Besessenheit seien in seiner Karriere vielleicht hundertmal notwendig gewesen. In diesen Fällen, erzählte Amorth, sei es wild zugegangen. Die Besessenen hätten ihn bespuckt, getreten, bedroht. Nicht nur einmal habe einer seiner Klienten mehrere Nägel ausgespuckt, für den weltweit bekanntesten Exorzisten ein eindeutiges Zeichen der Präsenz von Dämonen.
Wer Teufelsaustreiberei für Unfug beziehungsweise für eine gefährliche Dämonisierung psychischer Leiden hält, der muss zumindest Amorths Wirkung anerkennen. Bis zuletzt hatte er alle Hände voll zu tun. Eine Sendung auf Radio Maria verschaffte ihm zusätzliche Popularität, seine zahlreichen Bücher wurden in 28 Sprachen übersetzt, in manchen Kirchen Roms liegen sie bis heute aus. Die Titel: „Memoiren eines Exorzisten“, „Der letzte Exorzist“ oder „Ich habe Satan getroffen“, weckten bei vielen Skepsis, aber auch Neugier. Amorth konnte mit Medien umgehen, das verschaffte ihm zusätzliche Bekanntheit. Eine Videokassette des drastischen US-Spielfilms „Der Exorzist“ (1973) hatte einen festen Platz in seinem Regal. Roms Chefexorzist schätzte den Streifen: „Dem Film haben wir zu verdanken, dass wieder über Exorzismen gesprochen wurde.“ Amorth selbst sorgte für Diskussionen, als er Yoga, Fernsehen und Harry Potter für Teufelszeug erklärte.
1990 gründete er die Internationale Exorzisten-Vereinigung, die 2014 vom Vatikan offiziell anerkannt wurde. In der katholischen Kirche sind Exorzisten bis heute erwünscht. Benedikt XVI. dankte den Exorzisten explizit für ihren „wertvollen Dienst“. Amorth behauptete, Paul VI., Johannes Paul II. und Franziskus hätten selbst Befreiungsgebete oder Exorzismen durchgeführt. Zuletzt war gar von einem Exorzisten-Boom in Italien die Rede. Nach Schätzungen sind allein in Italien 250 Teufelsaustreiber im Dienst, mehrere Diözesen ernannten in den vergangenen Jahren zusätzliche Exorzisten. An einer der päpstlichen Universitäten Roms werden jährlich Exorzisten-Kurse für Priester veranstaltet. Eine der dort gelehrten und durchaus beunruhigenden Lektionen lag auch Don Amorth besonders am Herzen. Der Teufel sei raffiniert, sagte der Exorzist. Seine effizienteste Strategie jedoch sei es, die Leute glauben zu machen, dass er gar nicht existiere.