Am kommenden Sonntag ist Papst Franziskus drei Jahre im Amt. Jorge Bergoglio, der dieses Jahr 80 Jahre alt wird, hat mit seinem undiplomatischen Stil für Begeisterung ebenso wie für Kopfschütteln gesorgt. Franziskus hat sich in die Weltpolitik eingemischt, Umweltschutz ganz offiziell zum Teil des katholischen Lehramts erhoben und die zentrale Botschaft seines Pontifikats überdeutlich gemacht. Die Kirche soll weniger verurteilen, sondern vor allem die Wunden der Menschheit heilen.
Eine der größten Wunden der Gesellschaft ist bis heute der Missbrauch von Minderjährigen. Nach zahlreichen Skandalen in den vergangenen Jahren war die Kirche selbst gezwungen, sich des Themas intensiv anzunehmen. Einem Papst, der die Kirche als Feldlazarett sieht, müsste die kompromisslose Haltung beim Thema Kindesmissbrauch ganz besonders am Herzen liegen. Und tatsächlich verurteilt Franziskus die Täter wortmächtig und forderte vertuschende Bischöfe zum Rücktritt auf. Mehrmals hat der Papst Missbrauchs-Betroffene getroffen und ihnen versichert, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Gegen inneren Widerstand im Vatikan setzte Franziskus zudem eine Kinderschutz-Kommission ein, die Praktiken zur Verhinderung von sexuellem Missbrauch durch den Klerus entwickelt. Auf dem Papier ist Franziskus‘ Bilanz überzeugend. Es wirkt so, als gehe die Kirche den nächsten Schritt.
Doch wie ernst ist es dem Papst, endgültig die Haltung des innerkirchlichen Schweigegebotes für eine nachhaltige und kompromisslose Aufklärung hinzugeben? Zuletzt kamen mehrfach Zweifel im Hinblick auf seine Personalpolitik auf. Da wirkt es so, als hätten die alten Kader das Heft weiterhin in der Hand. Sichtbar wurde das vergangene Woche bei der Aussage des 74 Jahre alten Kardinals George Pell vor einer australischen Untersuchungskommission. Franziskus hatte Pell in den Kardinalsrat seiner engsten Berater berufen und zum Präfekten des bedeutenden Wirtschaftssekretariats ernannt. Jetzt gab der Australier zu, als einflussreicher Priester und Weihbischof in den 70er und 80er Jahren in seiner Heimat nicht gegen notorische Missbrauchstäter aus dem Klerus vorgegangen zu sein und kein Interesse an Aufklärung gehabt zu haben.
Für Betroffene wirkt die Laufbahn Pells wie blanker Hohn. Denn sie zeigt, dass Wegschauen und Vertuschung in der Kirche weiterhin nicht karriereschädlich sind, im Gegenteil. Statt Pell wurde ein Mitglied der päpstlichen Kommission für Kinderschutz, der Missbrauchsbetroffene Peter Saunders beurlaubt, weil er die Widersprüche beim Namen nannte. Pell ist kein Einzelfall. Mit dem chilenischen Kardinal Javier Francisco Errázuriz, einem Freund Jorge Bergoglios, sitzt ein weiterer Mann der alten Garde im Kronrat des Papstes.
Auch Errázuriz hat in seiner Zeit als Erzbischof von Santiago de Chile die Anzeigen Betroffener ignoriert. Seinen Einfluss im Vatikan nutzend, verhinderte Errázuriz außerdem, dass der Missbrauchsbetroffene Juan Carlos Cruz in die Kinderschutzkommission berufen wurde. Cruz klagt mit zwei weiteren Betroffenen gegen die Diözese Santiago und den heutigen Erzbischof Riccardo Ezzati wegen Vertuschung. Franziskus erhob Ezzati hingegen zum Kardinal, ein Zeichen absoluter Rückendeckung. Unterdessen halten die beiden Granden des chilenischen Klerus ihre Hände schützend über vier Bischöfe in Chile, die aus der Kaderschmiede des Missbrauchstäters Fernando Karadima stammen und dessen Untaten bis heute leugnen.
Damit nicht genug. Franziskus nominierte den ehemaligen Primas der belgischen Bischofskonferenz, Kardinal Godfried Danneels zweimal persönlich für die Bischofssynode, obwohl Danneels im Jahr 2010 einen Missbrauchsbetroffenen dazu aufgefordert hatte, seine öffentlichen Anschuldigungen gegen einen Bischof wenigstens bis zu dessen Pensionierung zurückzuhalten. Auch unter Franziskus zeigt sich, dass der Kirche der Schutz ihres Ansehens und persönliche Beziehungen wichtiger sind als eine echte Kehrtwende. Notwendig wäre, endlich Bischöfe zu Verantwortung zu ziehen, die Täter aus dem Klerus decken. Der Vatikan kündigte im vergangenen Juni die Einrichtung eines entsprechenden Tribunals bei der Glaubenskongregation an. Es ist bis heute nicht in Betrieb.