Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.2.2016 Paulo Dybala gilt bei Bayerns Gegner Juventus Turin als neuer Wunderheiler. Hinter dem Erfolg des Bubengesichts steckt eine traurige Geschichte.

Zu Beginn der Saison galt Paulo Dybala als ein Problem bei Juventus Turin. Der viermalige Serienmeister steckte eine Niederlage nach der anderen ein. Die alte Garde um Torwart Gianluigi Buffon lag mit der angeblich gedankenlosen Jugend in den eigenen Reihen im Clinch, darunter auch der 22 Jahre alte Dybala. Trainer Massimiliano Allegri wurde kritisiert, wenn er den fahrigen Argentinier einsetzte - und wenn dieser auf der Bank saß, war es auch nicht recht. Jetzt, ein paar Monate später, prasseln die Lobeshymnen auf den argentinischen Nationalspieler ein. Er sei ein „Weltphänomen“ schrieb die „Gazzetta dello Sport“ zuletzt, das „starke Symbol eines neuen Zyklus“. Die hinkenden Vergleiche sind Legion: Dybala sei der neue Roberto Baggio, hieß es, er habe die von Carlos Tévez bei Juventus Turin hinterlassene Lücke gestopft, sagen andere. Was ist nur im sonst so nüchternen Turin passiert? Abgesehen davon, dass der italienische Fußballbetrieb bekanntlich einen Hang zur Emphase hat, ist die Diagnose unkompliziert: Der italienische Rekordmeister hat vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League am Dienstag

gegen den FC Bayern eine beeindruckende Siegesserie in der Serie A hingelegt. Nach 15 gewonnenen Spielen in Serie und der Eroberung der Tabellenspitze ging erst das letzte Match am Freitag gegen den FC Bologna wieder unentschieden aus (0:0). In den vergangenen neun Partien musste die Abwehr, das Prunkstück der Italiener, nur ein einziges Gegentor hinnehmen. Und der erfolgreichste Torschütze, der Jüngling, der zu Saisonbeginn als überteuerter Fehleinkauf abgestempelt worden war, hat die meisten Treffer im Team erzielt. In 25 Serie-A-Partien gelangen Paulo Dybala 13 Tore. Er ist damit Turins neuer Wunderheiler. Es ist eine beinahe groteske Situation. Der frühere Unsicherheitsfaktor Nummer eins stellt plötzlich die größte Gewissheit bei Juventus Turin dar. Gewiss, die Mannschaft von Trainer Allegri strotzt vor Selbstbewusstsein und ist sich ihrer Chancen angesichts der Verletzungsmisere beim FC Bayern bewusst. Aber sollte man den entscheidenden Faktor für die Wiederbelebung der Mannschaft nach den Schwierigkeiten zu Saisonbeginn benennen, dann führt kein Weg an Paulo Dybala…

Augsburger Allgemeine, 8.3.2016 Nach drei Jahren im Amt macht sich Papst Franziskus beim Thema Missbrauch angreifbar.

Am kommenden Sonntag ist Papst Franziskus drei Jahre im Amt. Jorge Bergoglio, der dieses Jahr 80 Jahre alt wird, hat mit seinem undiplomatischen Stil für Begeisterung ebenso wie für Kopfschütteln gesorgt. Franziskus hat sich in die Weltpolitik eingemischt, Umweltschutz ganz offiziell zum Teil des katholischen Lehramts erhoben und die zentrale Botschaft seines Pontifikats überdeutlich gemacht. Die Kirche soll weniger verurteilen, sondern vor allem die Wunden der Menschheit heilen.   Eine der größten Wunden der Gesellschaft ist bis heute der Missbrauch von Minderjährigen. Nach zahlreichen Skandalen in den vergangenen Jahren war die Kirche selbst gezwungen, sich des Themas intensiv anzunehmen. Einem Papst, der die Kirche als Feldlazarett sieht, müsste die kompromisslose Haltung beim Thema Kindesmissbrauch ganz besonders am Herzen liegen. Und tatsächlich verurteilt Franziskus die Täter wortmächtig und forderte vertuschende Bischöfe zum Rücktritt auf. Mehrmals hat der Papst Missbrauchs-Betroffene getroffen und ihnen versichert, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Gegen inneren Widerstand im Vatikan setzte Franziskus zudem eine Kinderschutz-Kommission ein, die Praktiken zur Verhinderung von sexuellem Missbrauch durch den Klerus entwickelt. Auf dem Papier

ist Franziskus' Bilanz überzeugend. Es wirkt so, als gehe die Kirche den nächsten Schritt.   Doch wie ernst ist es dem Papst, endgültig die Haltung des innerkirchlichen Schweigegebotes für eine nachhaltige und kompromisslose Aufklärung hinzugeben? Zuletzt kamen mehrfach Zweifel im Hinblick auf seine Personalpolitik auf. Da wirkt es so, als hätten die alten Kader das Heft weiterhin in der Hand. Sichtbar wurde das vergangene Woche bei der Aussage des 74 Jahre alten Kardinals George Pell vor einer australischen Untersuchungskommission. Franziskus hatte Pell in den Kardinalsrat seiner engsten Berater berufen und zum Präfekten des bedeutenden Wirtschaftssekretariats ernannt. Jetzt gab der Australier zu, als einflussreicher Priester und Weihbischof in den 70er und 80er Jahren in seiner Heimat nicht gegen notorische Missbrauchstäter aus dem Klerus vorgegangen zu sein und kein Interesse an Aufklärung gehabt zu haben.   Für Betroffene wirkt die Laufbahn Pells wie blanker Hohn. Denn sie zeigt, dass Wegschauen und Vertuschung…