Badische Zeitung, 16.12.2015

Dem Parlamentsfriseur in Rom droht die Schließung. Das Ende ist noch nicht endgültig besiegelt, aber es naht. Unerbittlich. Die Rede ist von einer italienischen Institution, beinahe einem Heiligtum des parlamentarischen Betriebs in Rom. Ein lichtdurchfluteter Tempel. An den Wänden prangen Jugendstil-Spiegel. Drei Sessel, die Raumschiffen aus den 60er Jahren gleichen, können per Pedal nach oben gefahren werden. Herren, die samt Krawatte im hellblauen Arbeitskittel stecken. Parfümfläschchen, blitzende Scheren und Klingen. Der süße Duft von Rasierwasser. Ein Raum der kurzen Erholung im gnadenlosen Politikbetrieb. Willkommen in der Barberia di Montecitorio, dem Friseursalon im italienischen Abgeordnetenhaus. Auch der Senat, die zweite Parlamentskammer, verfügte bis vor einiger Zeit über einen eigenen Friseursalon. Weibliche Abgeordnete hatten dort sogar einen Dauerwellen-Bonus. Der Besuch beim Figaro in Montecitorio war lange für die Abgeordneten gratis, bis 1990. Man ahnt, auf welche Weise die heute weit über zweitausend Milliarden Euro Schulden des italienischen Staatshaushalts zustande gekommen sind. Die miserable Finanzsituation Italiens macht Sparmaßnahmen nötig. Die parlamentarischen Finanzprüfer haben es auf die Barbiere der Onorevoli abgesehen,

der „Ehrenwerten“, wie Abgeordnete in Italien genannt werden. Auf 630 Abgeordnete kommen sieben Friseure, die ein jährliches Minus von über 400 000 Euro erwirtschaften, das bisher die Staatskasse ausglich. Skandal? Nun ja, Ministerpräsident Matteo Renzi ließ medienwirksam teure Staatskarossen verhökern, aber den Friseuren seiner Abgeordneten will er nicht an den Kragen. Schließlich betreuen die das Wichtigste, über das ein Regierungschef verfügen will, nämlich das Stimmvieh. Dass ein Berufseinsteiger in der Barberia mit 30 000 Euro Jahresgehalt startet und am Ende seiner Karriere 136 000 Euro im Jahr verdient, geschenkt! Problematisch wird so etwas erst, wenn die italienischen Jugendarbeitslosen (Quote: 40 Prozent) davon Wind bekommen. Im Friseursalon bleiben nun immer häufiger mehrere Sessel frei. Das mag mit der gegenwärtigen Vollbartmode oder grassierendem Haarausfall unter den Abgeordneten zusammen hängen. Experten haben festgestellt, dass die Parlamentsfriseure eher auf hausbackene Art die Haare schneiden. Junge Abgeordnete ziehen deshalb schon länger ihre eigenen Etablissements außerhalb des Parlaments vor.…

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.12.2015

Mittelstürmer Higuaín schießt den süditalienischen Traditionsklub 25 Jahre nach Maradona wieder an die Tabellenspitze. Trainer Sarri hat dem SSC modernen Direkt- und Tempofußball verordnet. Schrecksekunden mit Gonzalo Higuaín sind im internationalen Fußball nichts Neues. Manuel Neuer zum Beispiel wird noch Erinnerungen an den Stürmer aus Argentinien haben. Im WM-Finale 2014 setzte Higuaín nach 20 Minuten eine unfreiwillige Vorlage von Toni Kroos knapp neben das Tor, in der zweiten Halbzeit rammte der Torwart den Angreifer ebenso gewagt wie rüde aus dem Strafraum. Inter Mailands slowenischer Keeper Samir Handanovic hatte am Montagabend überhaupt keine Zeit, sich Gedanken über die Gefährlichkeit des 27 Jahre alten Stürmers vom SSC Neapel zu machen, da lag der Ball schon im Kasten. 64 Sekunden hatte es gedauert, bis Higuaín seinen Verein im Spitzenspiel der Serie A zwischen dem SSC Neapel und Inter Mailand mit 1:0 in Führung brachte. "Higuaín, Higuaín", summt man seither am Vesuv und weit darüber hinaus zum Refrain eines ulkigen Songs von Massimo Cannizzaro über den Stürmer, der einen nicht unerheblichen Teil Süditaliens in Atem hält.

Denn Higuaín, der bis 2013 sechs Jahre lang für Real Madrid stürmte, hat in Neapel jahrzehntealte und nie ganz verstaubte Hoffnungen geweckt. Die in der Vergangenheit dominierenden Teams aus Norditalien schwächeln, das ist die Chance für den sich stets im Nachteil wähnenden italienischen Süden. Der SSC Neapel ist nach dem 2:1-Sieg gegen Inter Mailand Tabellenführer in einer Liga, die ihre dominierende Spitzenmannschaft auch nach 14 Spieltagen noch sucht. Das ist unter normalen Verhältnissen nicht mehr als ein freudiges Ereignis für die Betroffenen. Im überdrehten Neapel hingegen feuerten sie nach dem Schlusspfiff Feuerwerkskörper ab und veranstalteten Hupkonzerte. Exakt 25 Jahre ist es her, dass der SSC Neapel alleine an der Tabellenspitze der Serie A stand. Damals war ein Trio mit dem Spitznamen Ma-gi-ca bestehend aus Diego Armando Maradona, Bruno Giordano und Careca bestimmend. Heute liegt Neapel ihm ganz alleine zu Füßen: El Pipita, dem Pfeifchen. Gonzalo Higuaín. Seinen kuriosen…