Anke de Bernardinis ist 74 Jahre alt und hat ein bewegtes Leben hinter sich. Die Protestantin engagiert sich in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Rom, sie ist Witwe und seit 22 Jahren wieder verheiratet, mit einem Italiener, ihrem 90 Jahre alten Ehemann Enrico. Enrico de Bernardinis ist überzeugter Katholik, bereits einmal geschieden und einer derjenigen, die sich von der katholischen Kirche an den Rand gedrängt fühlen. Zwei Bischofssynoden im Vatikan widmeten sich zuletzt solchen »pastoral schwierigen Situationen«. Aber am Sonntag vor einer Woche, da war es Papst Franziskus persönlich, der sich dieser für die Kirche explosiven Mischung gegenübersah. Der Papst hatte der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom einen Besuch abgestattet und erlebte einen so begeisterten Empfang, als sei er selbst der verantwortliche Bischof dieser Gemeinde. Aber weil vor 500 Jahren ein gewisser Martin Luther für die Abspaltung eines Teils der Gemeinschaft sorgte, sind Treffen zwischen hohen Repräsentanten der katholischen und der evangelisch-lutherischen Kirche immer auch ein diplomatischer Spießrutenlauf. Einen offiziellen ökumenischen Dialog gibt es zwischen beiden Kirchen erst seit
50 Jahren. Die Protagonisten der Ökumene müssen den richtigen Ton treffen, dürfen die Unterschiede nicht zu sehr hervorheben, sie aber auch nicht ignorieren. Stets gibt es hohe Erwartungen, und die Gefahr ist groß, in tiefste Abgründe zu stürzen. Eigentlich ein Grund, den exzellentesten Diplomaten auf Erden für diesen komplizierten Dialog abzustellen. Aber dann saß da Franziskus in der Christuskirche. Der neun Jahre alte semmelblonde Julius hatte bei einer offiziellen Fragerunde dem Papst bereits die nicht unwesentliche Aussage entlockt, dass ihm am Papstsein am meisten gefällt, Pfarrer zu sein. Dieses Statement war durchaus als programmatischer Hinweis zu verstehen. Dann wollte Anke de Bernardinis vom Papst, der am liebsten Pfarrer ist, wissen, was sie und ihr katholischer Ehemann tun können, um endlich gemeinsam die Kommunion zu erhalten. Der Katechismus der katholischen Kirche verbietet diese sogenannte Interkommunion zwischen Katholiken und aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen mit dem Hinweis, dass diese Kirchen »die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen…