Süddeutsche Zeitung Online, 4.8.2012 800 afrikanische Flüchtlinge besetzen einen verwahrlosten Wohnklotz im Süden Roms. Vom italienischen Staat erhalten sie keine Hilfe - und mancher Bewohner sehnt sich nach einem Platz im Gefängnis.

Fotos: Max Intrisano

Fotos: Max Intrisano

Ein Heer von Fliegen surrt durch die stickige Luft. Aus den geborstenen Rohren plätschert Wasser. Ein junger Mann wringt ein T-Shirt über dem gelblich gewordenen Waschbecken aus. In der einzigen Toilette, die Hunderte Menschen gemeinsam benutzen, riecht es streng nach Urin. Palazzo Salaam, Palast des Friedens, oder Hotel Africa nennen die Bewohner diesen Klotz am südlichen Stadtrand Roms. Palast der Schande wurde er auch getauft, dieser Name trifft die Verhältnisse schon eher. Etwa 800 Männer, Frauen und Kinder, allesamt Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten am Horn von Afrika haben hier Zuflucht gefunden, eingepfercht zwischen dem Lärm der nahen Stadtautobahn und dem Trubel eines Einkaufszentrums. Alle sind sie aus Ländern wie Sudan, Somalia, Eritrea oder Äthiopien geflohen. In Hoffnung auf Frieden. Gelandet sind sie in Verhältnissen, wie man sie keinem Menschen wünscht. "Das hier ist ein Hundeleben, aber eigentlich geht es den meisten Hunden besser als uns", sagt Biraddin Abdalla. Er ist 28 Jahre alt und nach einer lebensgefährlichen Odyssee aus Darfur über Libyen und das Mittelmeer nach Italien gekommen. Wolldecken sollen Privatsphäre

schaffen Einst wandelten Literaturstudenten auf den Gängen des Palazzos. Dann zog die Universität aus und die Flüchtlinge besetzten die acht Stockwerke des verlassenen Hochhauses. Vor sieben Jahren war das. Jetzt liegen hier überall Glasscherben, stinkender Müll, zerbrochene Fenster und Flaschen. Stromkabel sind aus den Wänden gerissen, die Matratzen aus Schaumgummi haben Löcher. Mit Gipswänden und von den Decken hängenden Wolldecken haben einige versucht, sich so etwas wie Privatsphäre zu schaffen. Viele, vor allem junge Männer, blicken teilnahmslos ins Nichts. Sie haben glasige Augen. Manche reagieren auf Fragen, als seien sie betäubt. Vor einigen Wochen, mitten in der Sommerhitze, wurde den Flüchtlingen das Wasser abgedreht, für drei Tage. "Wir sind aus Darfur geflohen, weil dort Krieg herrscht. Aber hier sind wir in einem kalten Krieg gelandet", sagt Abdalla. Damit meint er die Zustände, in denen die meisten politischen Flüchtlinge in Italien leben. Abdalla gehört zu einem achtköpfigen Komitee,…