Es hilft, sich einmal die geographische Lage des Teatro dell’Opera in Rom anzusehen. Das klotzige, einem Ministerium gleichende Gebäude liegt auf dem Viminal-Hügel, einen Steinwurf entfernt vom Innenministerium. Den Platz vor dem Opernhaus schmücken vier stattliche Palmen, die anscheinend noch nicht vom Palmrüssler befallen sind, dem Insekt, das im Rest Italiens derzeit die Pflanzen dahinrafft. Von hier muss man nur die Via Nazionale überqueren, um zum Quirinal zu gelangen. Dort hat Staatspräsident Giorgio Napolitano jenes Regierungsdekret unterschrieben, gegen das Opern und Musiktheater in Italien nun Sturm laufen. Von Napolitanos Amtspalast ist es wieder nur ein paar Schritte hinunter zum Marsfeld, wo die Römer einst ihre Truppenübungen abhielten und heute die Mitglieder des Kabinetts von Ministerpräsident Silvio Berlusconi im Dekretieren von Gesetzen wetteifern. Hier hat Kulturminister Sandro Bondi aus Sicht der Opernwelt eine Art Palmrüssler des Musiktheaters, das Dekret mit harten Einsparungen für die Opernhäuser entwerfen lassen. Heute – das Dekret ist längst in Kraft und muss vom Parlament nur noch abgesegnet werden – trifft Bondi Gewerkschaftsvertreter zur nachträglichen Diskussion. Loris Grossi,
Posaunist und Gewerkschaftsmann des römischen Opernorchesters, wird nicht dabei sein. Er sagt: „An der Oper haben wir lange unter Leuten gelitten, die aus politischen Gründen nominiert wurden und nicht, weil sie gute Manager sind.“ Das solle man bedenken, wenn man das römische Opernhaus mit einem Theater wie der Mailänder Scala vergleiche und sich fragt, warum die Hauptstadt-Oper in der allgemeinen Wahrnehmung eine jämmerliche Figur abgibt. „International unbedeutend“ urteilte unlängst die Zeitung La Stampa . Gerade übt ein Tubist, als sich Grossi – kariertes Hemd, Halbglatze, Schnauzbart – auf einem Stuhl im samtroten Atrium des Opernhauses niederlässt und zu erläutern beginnt, warum er und seine Kollegen „frustriert und verzweifelt“ seien. Grossi spielt seit 31 Jahren hier. Er weiß, dass dieses Haus eine seltsame Insel und ein Spielball der Mächtigen in der Stadt des politischen Palazzo ist. Es ist nicht leicht, ein paar zusammenhängende Sätze mit ihm auszutauschen, denn jeden Augenblick kommen Kollegen mit…