Muss er das?

Rheinische Post, 27.11.2017 - Warum sich Papst Franziskus während seiner Asienreise in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen stürzt.

Es soll Diplomaten im Vatikan geben, die Papst Franziskus von seiner Reise nach Myanmar und Bangladesch abgeraten haben. Und dennoch ist Franziskus seit Sonntag unterwegs, auf dem Weg in einen komplizierten und grausamen Konflikt. Mehr als 600 000 Menschen muslimischen Glaubens sind seit Sommer aus Myanmar nach Bangladesch vor Tod und Verfolgung geflohen. Ihre Lebensbedingungen sind denkbar schlecht. Myanmar ist ein buddhistisch geprägtes Land, dessen Militär die Rechte der muslimischen Minderheit der Rohingya in der Grenzprovinz Rakhine systematisch verletzt. Menschenrechtler sprechen von Völkermord, westliche Regierungen von „ethnischen Säuberungen“ durch das Militär.

Dennoch hat Charles Bo, der erste und von Franziskus vor zwei Jahren ernannte Kardinal von Myanmar, den Papst gebeten, besonders vorsichtig mit seiner Wortwahl zu sein. Allein der Begriff „Rohingya“ ist politisch besetzt. Wer „Rohingya“ sagt, der fordert aus Sicht der immer noch bestimmenden Militärs im Land implizit Rechte für diese Minderheit, die Myanmar und seine Generäle dieser Volksgruppe vorenthalten. Wenn der Papst nun Porzellan zertrümmert, müssen Minderheiten büßen, so lautet die Befürchtung. Wird Franziskus das R-Wort also vermeiden und sich so ebenfalls angreifbar machen? Der Papst begibt sich auf seiner bis Freitag dauernden Reise auf diplomatisches Glatteis.

Warum stürzt sich das Oberhaupt der Katholiken in eine so komplizierte Mission, in einen ethnischen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen? Seine dritte Asienreise entspricht dem Selbstverständnis dieses Papstes. In Myanmar und Bangladesch begibt sich Franziskus ganz besonders an die „existenziellen Peripherien“, die er seit Beginn seines Pontifikats zum Zentrum der Kirche machen will. Dieses Programm zielt zum Ärger katholischer Puristen nicht nur auf verfolgte Christen, sondern auf Verfolgte und Benachteiligte aller Art. Der Papst setzt auf die einigende Kraft des interreligiösen Dialogs, insbesondere da, wo Religion als Mittel zum Machterhalt benutzt wird. Die Kämpfe militanter ethnischer Gruppen gegen das Regime in Myanmar dauern seit der Staatsgründung 1948 an. Der Rohingya-Konflikt ist das Extrem dieser Krise, das erstmals global für Entrüstung sorgt.

Man muss nur an die Regensburger Rede Benedikt XVI. von 2006 denken, um in Erinnerung zu rufen, welche gewaltsamen Reaktionen (missverstandene) Papst-Worte auslösen können. Das offizielle Programm der aktuellen Papst-Reise trägt diesen Schwierigkeiten bereits Rechnung. Es stehen zwölf Ansprachen, vor allem vor Politikern und dem katholischen Klerus auf dem Programm, dazu fünf Predigten. Am Dienstag trifft Franziskus Myanmars Außenministerin, die wegen ihres Schweigens über die Rohingya im Westen umstrittene Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Ein privates Treffen mit dem Chef des Militärs von Myanmar wurde ebenfalls ins Programm aufgenommen. Erst bei einem interreligiösen Gebetstreffen am Freitag in Bangladesch soll auch eine Rohingya-Gruppe dabei sein. Franziskus riskiert, als Marionette herum gereicht zu werden.

Der politische Aktionismus des Papstes ist umstritten. Der Vatikan schaltet sich in den vergangenen Jahren wieder vermehrt als Vermittler in Krisenregionen ein, das zeigen die Beispiele Kuba, Kolumbien oder Zentralafrikanische Republik. Diese politisch-diplomatische Mission der Kirche wird in der Kurie mit Argwohn betrachtet. Theologie und Evangelisierung müssten den Vorrang haben vor der Einmischung in Machtfragen, behaupten Papst-Kritiker. In diesem Sinne äußerte sich am Sonntag auch der im Juni vom Papst entlassene Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller. „Die Priester werden immer weniger und wir kümmern uns eher um organisatorische, politische und diplomatische Fragen als um theologische und spirituelle“, zitierte ihn der Corriere della Sera.

Franziskus hingegen ist der Ansicht, dass die Kirche ihren Zweck nur dann erfüllt, wenn sie nicht ihren Status Quo verteidigt, sondern sich einmischt, wenn Menschen in ihrer Existenz bedroht sind. Das ist in Myanmar und Bangladesch zweifellos der Fall.

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