Versagt der Papst beim Missbrauchsskandal?

Main-Post, 3.3.2017 - Papst Franziskus versprach Null-Toleranz in der Missbrauchsbekämpfung. Jetzt hat die letzte Betroffene die Vatikan-Kommission zum Kinderschutz verlassen. 

Marie Collins hat das Grauen am eigenen Leib erlebt. Mit 13 Jahren wurde sie bei einem Krankenhausaufenthalt in Dublin von einem Kaplan missbraucht und vergewaltigt. Sie wurde depressiv, erst im Alter von 47 Jahren konnte die Irin über das Geschehene sprechen. Nicht nur unter den Misshandlungen habe sie gelitten, sondern auch darunter, dass die Kirche ihren Peiniger lange schützte. Bevor der Priester 1997 verurteilt wurde, hatte ihn sein Bischof in eine neue Pfarrei versetzt, wo er sich erneut strafbar machte.

Diese Erfahrung brachte die Aktivistin mit, als Papst Franziskus sie vor drei Jahren in eine Kinderschutzkommission zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche berief. Am Mittwoch trat die heute 70 Jahre alte Irin als einzige verbliebene Betroffene in dem 17-köpfigen Gremium zurück. „Der Mangel an Kooperation, vor allem durch das Dikasterium, das am engsten mit Missbrauchsfällen befasst ist, war eine Schande“, schrieb Collins in einem Statement. Damit ist die vom Deutschen Gerhard Ludwig Müller geleitete Glaubenskongregation gemeint. Sie hat die Supervision über alle bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in der Kirche.

Collins bemängelte „stetige Rückschläge“ in der Arbeit der Kommission und den „Widerstand einiger Mitglieder der Kurie“. Die Weigerung von Seiten der Kongregation, sämtliche Briefe von Missbrauchs-Betroffenen trotz einer Anordnung des Papstes persönlich zu beantworten, habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Angesichts dieser Tatsachen sei es ihr „unmöglich, die öffentlichen Bekenntnisse über die tiefe Sorge in der Kirche für Missbrauchsopfer zu hören“, schrieb Collins in einem Beitrag für den National Catholic Reporter. Sie wirft der Kirche Doppelmoral vor.

Unüberwindbare Hürden

Auch von der Kommission erarbeitete Richtlinien für Diözesen zum Kinderschutz seien nicht weitergeleitet worden. Enttäuscht zeigte sich Collins zuvor bereits von der nie wahrgemachten Ankündigung eines Vatikangerichts im Juni 2015, vor dem sich vertuschende Bischöfe verantworten sollten. Die Kommission hatte die Einrichtung empfohlen, der Papst zugestimmt. Auch die neuesten von Franziskus verabschiedeten und seit September geltenden rechtlichen Normen zur Verurteilung vertuschender Bischöfe beruhigten Collins nicht. Es sei unmöglich zu erfahren, ob dieses Gesetz tatsächlich angewendet werde oder nicht.

„Es ist verheerend im Jahr 2017 zu sehen, dass diese Männer immer noch andere Sorgen vor die Sicherheit von Kindern und verletzlicher Erwachsener stellen können“, schrieb Collins über die Widerstände. Dass Verhalten der Glaubenskongregation sei „ein Spiegel dafür, wie die gesamte Missbrauchs-Krise in der Kirche behandelt wurde: mit schönen Worten in der Öffentlichkeit und entgegen gesetzten Aktionen hinter verschlossenen Türen“.

Die Rolle des Papstes

Collins kritisierte indirekt auch Papst Franziskus, der mehrfach eine Politik der Null-Toleranz gegen Missbrauch angekündigt hatte. Zwar lobte sie die Bemühungen der Kommission, bemängelte aber, dass Urteile der Glaubenskongregation gegen Missbrauchstäter im Nachhinein abgeschwächt worden seien. Wie die amerikanische Nachrichtenagentur AP kürzlich berichtete, hat Franziskus die Entlassung mehrerer Missbrauchstäter aus dem Klerikerstand im Namen der Barmherzigkeit rückgängig gemacht.

Immer wieder gab es auch Kritik, der Papst habe in seinen neunköpfigen Kardinalsrat mehrere Prälaten berufen, die Missbrauchsfälle vertuschten. Gänzlich vom Vatikan und den römischen Bemühungen um Kinderschutz lossagen, will sich Collins aber dennoch nicht. Sie kündigte an, auch nach ihrem Rücktritt weiterhin bei Workshops für Bischöfe und Kurienmitarbeiter mitzuarbeiten.

FacebookTwitterGoogle+FlipboardPinterestLinkedIn