Am gleichen Tag beging Raymond Leo Kardinal Burke das sechste Jubiläum seiner Nominierung als Präfekt der Apostolischen Signatur, des höchsten Vatikangerichts. Burke spürte damals, im Frühsommer 2014, wie ihm langsam der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Papst Franziskus hatte den erzkonservativen Kardinal im Vorjahr bereits aus zwei Kongregationen abberufen, ein paar Monate später sollte er vom Papst auch als Chef des obersten Vatikangerichts abgesetzt und zum Malteserorden abgeschoben werden – als dessen Kardinalpatron. Burke war schon damals Franziskus’ schärfster innerkirchlicher Kritiker.

Während Kardinal Burke sich in der katholischen Hierarchie auf dem absteigenden Ast befand, legte Stephen Bannon einen kometenhaften Aufstieg in die Spitze der US-amerikanischen Politik hin. Der 63-Jährige ist heute Chefberater Donald Trumps und oberster Stratege im Weißen Haus. Das macht ihn zu einem der einflussreichsten Menschen auf der Welt.

Speerspitze der konservativen Internationalen

Der Berater des US-Präsidenten und der schärfste Kritiker des Papstes kennen und schätzen sich. Die beiden amerikanischen Katholiken bilden die ideologische Speerspitze einer rechtskonservativen Internationalen, die spätestens mit Trumps Wahlsieg salonfähig geworden ist. Die Rollen sind klar verteilt: Burke gibt den katholischen Ideologen, den Wächter über die Moral. Bannon ist der Strippenzieher im Weißen Haus, im Cockpit der größten Weltmacht. Es handelt sich bei diesem Schulterschluss nicht um eine krude Verschwörung, sondern um einen offenen Feldzug gegen Säkularisierung und Islam. Ganz nebenbei tragen die beiden Männer ihren Teil zur Entstehung einer internationalen rechtspopulistischen Bewegung bei.

Der Kardinal und der Berater lernten sich wenige Monate vor Bannons Vortrag im Vatikan kennen. Als Chef von Breitbart News war Bannon bereits im April 2014 zur Heiligsprechung von Johannes Paul II. nach Rom gereist. Er interviewte damals Benjamin Harnwell, den Gründer des Instituts „Dignitatis Humanae“ (Institut für die Menschenwürde), das im Sommer den Kongress in den Vatikanischen Gärten veranstaltete. Harnwell machte den Besucher aus Los Angeles mit dem Kardinal bekannt, die beiden blieben in Kontakt. Auf die Frage, ob eine Art Allianz zwischen dem heute wichtigsten Berater des US-Präsidenten und dem ärgsten Widersacher des Papstes bestehe, antwortet Harnwell: „Allianz ist das falsche Wort. Es handelt sich einfach um zwei Personen, die sich und ihre Arbeit gegenseitig bewundern.“

Es war ein beunruhigender Vortrag, den der Chef von Breitbart News damals in der Vatikan-Idylle hielt. Das amerikanische Online-Magazin Buzzfeed.com stellte ein Protokoll des Vortrags ins Internet unter dem Titel „So sieht Steve Bannon die ganze Welt“. Trumps Chefberater zufolge sind Säkularisierung und Islam die größten Bedrohungen für das jüdisch-christliche Abendland. Der Westen stehe am „Beginn eines sehr brutalen und blutigen Konflikts“ gegen den „dschihadistisch-islamischen Faschismus“. Bannon empfahl damals eine „sehr, sehr, sehr aggressive Haltung“ gegen den radikalen Islam. Es sei an der Zeit, nicht nur zum eigenen Glauben zu stehen, sondern „für unsere Überzeugungen und gegen die beginnende neue Barbarei zu kämpfen“. Dazu zähle auch das kompromisslose Eintreten gegen Abtreibung und für ein traditionelles Eheverständnis. Anhaltspunkte dafür, dass Bannon seine Meinung seit dem Einzug ins Weiße Haus geändert hat, gibt es nicht.

Bringt Trump Gott zurück ins Weiße Haus?

Trumps Beraterkreis teilt zwar nicht alle extremen Ansichten des Chefstrategen. Aber der Präsident hat so viele rechtskonservative Christen um sich geschart, dass das Internetportal Lifesitenews.comwenige Tage nach der Amtseinführung jubelte: „Trump bringt Gott nach langer Abwesenheit zurück in die Bundesregierung.“ Da ist etwa die Sonderberaterin und Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway, eine strenge Katholikin, die täglich in die Messe geht. „Gott steht ganz oben bei ihren Prioritäten“, schrieb Lifesitenews.com. Auch Sean Spicer, der Sprecher des Weißen Hauses, sei ein „Hardcore-Pro-Life-Katholik“. Spicer sagte in einem Interview, er blicke täglich auf Gott, um gestärkt zu werden und das Richtige zu tun. „Trump hat verstanden, dass Gläubige in den vergangenen Jahren an den Rand gedrängt worden sind“, sagt Spicer. Das werde sich nun ändern.

Auch Trumps Stabschef Reince Priebus ist strenggläubiger Christ. Er gehört der griechisch-orthodoxen Kirche an, hütet ein liturgisches Buch im Büro und ist für eine kompromisslose Haltung in Sachen Abtreibung bekannt. Über Vizepräsident Mike Pence weiß man, dass er aus einer irisch-katholischen Familie stammt und in eine evangelikale Kirche übertrat. „Ich habe mein Leben Jesus Christus anvertraut“, sagte er einmal. Ende Januar nahm er als erster Vizepräsident am „Marsch für das Leben“ in Washington teil. Auch der von Trump berufene CIA-Direktor Mike Pompeo gehört einer evangelikalen Kirche an. Der Chef des Auslandsgeheimdienstes behauptet: „Jesus Christus ist die einzige Lösung für unsere Welt.“ Trumps schon wieder zurückgetretener Sicherheitsberater Michael Flynn rundete die Sache vormals ab: Er wuchs in einer irisch-katholischen Familie auf. Flynn bezeichnete den Islam einmal als „Krebs“ und als „politische Ideologie“, die sich hinter dem „Label der Religion“ verstecke.

Eine so offensichtlich und offensiv christliche Regierung gab es in den USA lange nicht mehr. Jetzt wird mit Religion wieder Politik gemacht. Bannon und Burke stehen an der Spitze einer sich formierenden weltweiten christlich-fundamentalistischen Allianz, die ihre Identität vor allem aus dem Kampf gegen Abtreibung, gegen Homosexuellenrechte und für traditionelle christliche Werte bezieht.

Scharfmacher in Washington

Beunruhigend daran ist vor allem, dass einige der Scharfmacher in Washington nun über Krieg und Frieden in der Welt mitentscheiden. Neben Vizepräsident Pence haben auch Stabschef Priebus und der unberechenbare Stephen Bannon einen Sitz im Nationalen Sicherheitsrat der USA. Dabei besitzt Bannon keinerlei außen- oder sicherheitspolitische Erfahrung, die ihn zur Mitgliedschaft in diesem Gremium qualifizieren würde.

In den Augen christlicher Traditionalisten hingegen hätte sich der neue US-Präsident seine engsten Mitarbeiter nicht besser aussuchen können. Kardinal Burke zeigte sich nach Trumps Wahl alles andere als verstimmt. Er bezeichnete den Beraterstab des neuen US-Präsidenten am Tag nach der Wahl als „sehr verlässlich“. Leute wie Burke sehen sich durch die ersten Schritte der Trump-Regierung in ihren Hoffnungen bestätigt. Per Dekret strich der US-Präsident beispielsweise dem internationalen Ableger der Organisation Planned Parenthood, die bei der Lebensrechtsbewegung als „Abtreibungskonzern“ verschrien ist, die Subventionen. Ende Januar nominierte Trump den Richter Neil Gorsuch für den unbesetzten Posten am Supreme Court, dem obersten US-Gericht, das immer wieder Entscheidungen über umstrittene ethische Fragen fällen muss. Gorsuch hat sich bislang als strammer Anhänger der Pro-Life-Bewegung hervorgetan. „Die Aussichten für die Lebensrechtsbewegung waren nie so gut wie heute“, heißt es aus traditionalistischen Kreisen in Rom. Dass der dreimal geschiedene Bannon und sein in dritter Ehe verheirateter Chef Donald Trump es mit der strengen katholischen Moral nicht ganz so ernst nehmen, fällt offenbar nicht weiter ins Gewicht.

 Burkes neuer Frühling

Insbesondere auf Raymond Leo Burke hat die Trump-Regierung den Effekt eines neuen Frühlings. Benedikt XVI. machte den ehemaligen Erzbischof von St. Louis 2008 zum Chef des Obersten Vatikangerichts und zwei Jahre später zum Kardinal. Unter dem moderateren Franziskus mutierte der konservative Amerikaner zur Persona non grata. In der Diskussion um das Papstschreiben Amoris laetitia und die umstrittene Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion brachte der US-Kardinal gar eine „formale Korrektur“ des Papstes ins Spiel, weil Franziskus die traditionelle Ehelehre der Kirche missachte. Als Patron des Malteserordens stellte der Papst den Kardinal kalt, regierte in dessen Angelegenheiten hinein.

Den Islam hält Kardinal Burke für eine aggressive, gefährliche Religion. „Es ist klar, dass die Muslime letztendlich die Herrschaft über die Welt erobern wollen“, sagte Burke im Oktober in einem Interview mit der italienischen Zeitung Il Giornale. Die Washington Post bezeichnete Burke jüngst als „rebellischen Kirchenfürsten, der seine Position im Vatikan ausnutzt, um extremistische Kräfte zu legitimieren, die die westliche liberale Demokratie zum Einsturz bringen wollen“.

Trumps Ideologe Bannon arbeitet schon seit seiner Zeit als Chef der Breitbart News am Untergang der bestehenden Weltordnung. Bannon ist in der rechtspopulistischen Szene Europas bestens vernetzt. Auch der Kardinal bastelt offenbar an seinen politischen Beziehungen. Wie italienische Medien berichteten, empfing Burke vor wenigen Tagen Matteo Salvini, den Parteichef der fremdenfeindlichen Lega Nord, in seiner Wohnung am Vatikan. Die Lega ist das italienische Pendant zum französischen Front National oder der Alternative für Deutschland. Salvini hat Papst Franziskus wegen seines Eintretens für Flüchtlinge mehrfach heftig kritisiert. Im Vatikan wächst zusammen, was zusammengehört.

Es wird ungemütlich

Für den Papst wird die Lage in dieser Konstellation immer ungemütlicher. Franziskus muss mitansehen, wie der traditionalistische Flügel der katholischen Kirche gemeinsame Sache mit den politischen Widersachern des Papstes macht. Den von Trump angekündigten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko bezeichnete Franziskus als „nicht christlich“. Der Vatikan kritisierte diese Pläne ebenso wie das Dekret zum Einreiseverbot für Bürger aus sieben islamischen Staaten. Hardliner wie Burke oder Bannon haben der Immigrationspolitik der USA den ideologischen Boden bereitet. „Der Islam verwirklicht sich in der Eroberung“, behauptete der US-Kardinal einmal. Auch Trumps Chefberater versteht die katholische Kirche als ideelles Bollwerk gegen den Islam. „Ich denke, unsere Vorfahren haben Haltung gezeigt“, sagte Bannon im Sommer 2014 via Skype in Anspielung auf die Religionskriege in der Vergangenheit. Bei den Schlachten in Wien oder Tours hätten die christlichen Ahnen dem Islam erfolgreich die Stirn geboten und den Nachfahren die „großartige Institution der römischen Westkirche“ als Erbe hinterlassen.

Mit der Kirche, die Papst Franziskus vorschwebt, hat diese Kriegsrhetorik kaum mehr etwas zu tun. Seine Aufmerksamkeit für die Peripherien klingt in den Ohren seiner Kritiker nur noch nach einer abgenutzten Floskel. Benjamin Harnwell, der Verbindungsmann zwischen Bannon und Burke, der Gründer des Dignitatis-Humanae-Instituts, erkennt sogar Parallelen zwischen dem Aufstieg der Rechtspopulisten und einem Elitedenken im katholischen Klerus: „Unsere Pastoren haben in weiten Teilen eine elitäre Haltung an den Tag gelegt“, sagte Harnwell jüngst in einem Interview mit dem National Catholic Register. Der amerikanische Klerus habe trotz des vielen „Geredes über das Hinausgehen an die Peripherien“ die Menschen in Amerikas Mitte vergessen. Das solle der Kirche auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland eine Lehre sein. Diese Aussage ist ein klarer Aufruf, die katholische Kirche möge den rechtspopulistischen Zug nicht verpassen, der gerade in Europa abfährt, sondern selber aufspringen.

Dubioses Institut

Das Dignitatis-Humanae-Institut, bei dessen Konferenz Stephen Bannon 2014 sein Weltbild vorstellen durfte, ist eines der Vehikel für dieses Ansinnen. Nur ein paar hundert Meter vom Vatikan entfernt hat der katholisch-fundamentalistische Thinktank seit 2011 seinen Sitz. Das von Harnwell und einem konservativen britischen EU-Parlamentarier 2008 in Brüssel gegründete Institut versteht sich als Speerspitze „gegen wachsende säkularistische Intoleranz gegenüber Christen aller Konfessionen, die unzählige Angriffe auf die menschliche Würde zur Folge hatte“. So ist es auf der Homepage des Instituts zu lesen, die mit schmeichelhaften Zitaten von Trumps Chefberater Bannon über den Institutsgründer Harnwell geschmückt ist. Harnwell, der behauptet, Bannons Ideen zu teilen, bemüht sich mit Erfolg um die Unterstützung der katholischen und europäischen Nomenklatur.

Als Mitglieder des Institutsbeirats firmieren einige der bekanntesten Franziskus-Kritiker, darunter der Präfekt der Gottesdienst-Kongregation Robert Kardinal Sarah oder Walter Kardinal Brandmüller, zusammen mit Burke einer der vier Unterzeichner des Protestbriefs gegen das Papstschreiben Amoris laetitia. Aber auch eher liberal geltende Prälaten wie der emeritierte Erzbischof von Westminster, Cormac Kardinal Murphy-O’Connor, oder der Kurienkardinal Peter Turkson sind aufgeführt. Ihre Unterstützung des Instituts haben unter anderem der von Franziskus jüngst entmachtete Großmeister des Malteserordens, Matthew Festing, aber auch der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), zugesagt. Pöttering, der heute Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung ist, erscheint auf dem Organigramm des Instituts als einer der Schirmherren. Präsident des Beirats ist Kardinal Burke höchstselbst. Bei einer Konferenz im Sommer 2013 bezeichnete er das Institut als „wichtigste Organisation zur Förderung der menschlichen Würde in der Welt“.

Was darunter genau zu verstehen ist, darüber gehen die Vorstellungen auseinander. Donald Trump und Papst Franziskus, der selbst eine klare Agenda gegen Abtreibung und Gender-Theorie verfolgt, könnten diese Frage Ende Mai unter vier Augen diskutieren. Donald Trump wird dann zum G-7-Gipfel in Taormina auf Sizilien erwartet. Seine Vorgänger nutzten solche Gipfeltreffen für eine Begegnung mit dem Papst, möglicherweise kommt es im Mai auch zum Treffen zwischen Bergoglio und Trump im Vatikan. Alle Welt wird sich dann fragen, wer wem die Leviten liest, der US-Präsident dem Papst oder der Papst dem US-Präsidenten. Nicht auszuschließen ist, dass es in Vatikannähe dann zu einem informellen, aber nicht weniger folgenreichen Gipfeltreffen zweier Männer kommt, die voll auf einer Linie sind: Stephen Bannon und Raymond Leo Burke.