Im Theater Obihall von Florenz steht an diesem Mittwoch eine Tragödie auf dem Programm. Am Tag danach startet Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi von derselben Bühne aus eine Kampagne, die aus seiner Sicht keinesfalls in einem Drama enden darf. Es geht um die Volksabstimmung über eine Verfassungsreform, die die italienische Regierung für den 4. Dezember angesetzt hat. Renzi, seine Reformministerin Maria Elena Boschi sowie Tausende Freiwilligen-Komittees sollen die Italiener bis dahin von der Notwendigkeit dieser „Mutter aller Reformen“, wie das Projekt im Regierungslager genannt wird, überzeugen.
Den Start seiner Kampagne im Florentiner Theater, das mehr von einem Zirkuszelt als von einer ehrwürdigen Bühne hat, ist nicht zufällig gewählt. Am selben Tag vor acht Jahren kündigte Renzi dort seine Kandidatur für die Wahl des Bürgermeisters in Florenz an. Der heute 41-Jährige setzte sich durch, sein Aufstieg über den Parteivorsitz der italienischen Sozialdemokraten bis ins Amt des Premiers begann. Der Toskaner will nun seine Erfolgsgeschichte am selben Ort weiter schreiben. Ob das gelingt, ist allerdings mehr als fraglich. Fast alle Umfragen sehen die Gegner der Reform im Vorteil. Sämtliche Oppositionsparteien sowie der linke Flügel in Renzis Partito Democratico sind für ein klares „Nein“. Renzi bleiben 70 Tage, um das Blatt zu wenden.
Erklärtes Ziel der Regierung ist es, Kosten einzusparen, den bislang komplizierten Gesetzgebungsprozess zu vereinfachen sowie mehr Stabilität zu garantieren. Zu diesem Zweck soll der italienische Senat, eine der beiden Parlamentskammern, in eine zweitrangige Versammlung umgewandelt und seine Mitglieder von bisher 315 auf 100 verringert werden. Vertrauensabstimmungen würden künftig nur noch im Abgeordnetenhaus abgehalten, die Gesetze müssten nicht mehr wie bisher mehrfach zwischen den beiden Kammern hin und herpendeln.
Die chronische Instabilität italienischer Regierungen soll so überwunden werden. „Mit einem ,Nein‘ kommt Italien nicht auf die Füße“, sagte der Ministerpräsident. Wer Veränderung wolle, der solle bei der Kampagne helfen. Als Berater engagierte Renzi bereits vor Monaten den Kommunikationsexperten Jim Messina, dem unter anderem die Wiederwahl von US-Präsident Barack Obama im Jahr 2012 angerechnet wird. Allerdings war Messina auch an der erfolglosen Anti-Brexit-Kampagne von Großbritanniens Premier David Cameron beteiligt. Wie Cameron könnte auch Renzi Opfer seiner selbst werden, da er das Verfassungsreferendum zu einem Zeitpunkt selbst ansetzte, als eine Zustimmung ungefährdet wirkte.
Renzis politische Gegner hoffen, dem Premier beim Referendum eine empfindliche Niederlage beizubringen, wenn nicht sogar seinen Sturz zu provozieren. Vom „Rexit“, also dem Ende der Regierung Renzi, ist in der Opposition sogar spöttisch die Rede. Schließlich verknüpfte der Premier lange Zeit seine politische Zukunft mit dem Ausgang des Referendums, auch wenn er inzwischen von dieser Personalisierung abgerückt ist. In der Sache bemängeln die Kritiker, mit der Verfassungsänderung bekäme Italien ein semi-autoritäres System, weil Ministerpräsident und Regierung künftig über eine außergewöhnlich große Machtfülle verfügten.
Die Regierung wirbt auch im Ausland für die Reform, Ministerin Boschi erklärt das Projekt in diesen Tagen bei einem Besuch in Argentinien. Die Administration von US-Präsident Barack Obama steht der Reform erklärtermaßen positiv gegenüber. Auch innerhalb der EU gewinnt das Abstimmungsdatum am 4. Dezember zunehmend an Bedeutung. Nicht nur wählen die Österreicher an diesem Tag einen neuen Staatspräsidenten und müssen sich für oder gegen den FPÖ-Rechtspopulisten Norbert Hofer entscheiden. Weil das Verfassungsreferendum durchaus Auswirkungen auf die Stabilität der italienischen Regierung haben kann, geht es auch um die Frage, wie es ohne Renzi in Italien weitergehen könnte. In den Umfragen rangierte zuletzt die euroskeptische 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo ganz weit vorne. Mehrere internationale Investmentbanken bereiteten sich zuletzt in ihren Prognosen bereits auf einen negativen Ausgang der Abstimmung vor.