Auf dem schönen Dorfplatz von Brescello ist die Welt noch in Ordnung. Vor der weißen Kirche hebt Don Camillo die Hand zum Gruß, vor dem Rathaus schwenkt Peppone den Hut. Der schlitzohrige Pfarrer und der kommunistische Bürgermeister, deren Bronzestatuen den Ort in der Emilia-Romagna schmücken, haben tausende Leser und Fernsehzuschauer beglückt. Giovannino Guareschi prägte mit seinen Erzählungen das Bild Italiens in der Nachkriegszeit. Damals kreiste das Leben um Kirche und Arbeit. Heute kommt man selbst in Brescello an der Mafia nicht vorbei.
Die italienische Regierung hat nun den Gemeinderat von Brescello aufgelöst. Das nördlich der Stadt Parma gelegene Dorf, in dem sechs „Camillo und Peppone“-Filme gedreht wurden, ist von der ‘Ndrangheta unterwandert – der aus Kalabrien stammenden Mafia. Erfahrungsgemäß sind die Zustände erschreckend, wenn die Exekutive zu so einer drastischen Maßnahme greift. Seit 1991 war dies bei weit über 200 Kommunen in Italien notwendig, vor allem in den südlichen Regionen Kalabrien, Sizilien und Kampanien. In den vergangenen Jahren wurden zudem Gemeinderäte in Ligurien, im Piemont und der Lombardei aufgelöst. Und jetzt eben auch in Brescello.
Illegale Geschäfte in Norditalien
Mit der 5600-Einwohner-Gemeinde hat es erstmals eine Kommune in der produktiven Emilia-Romagna getroffen. Damit ist nicht nur das italienische Dorf-Idyll aus den Filmen zerstört. Die Auflösung des Gemeinderats von Brescello und seine demnächst beginnende, 18 Monate dauernde Verwaltung durch drei Kommissare ist ein Weckruf: Selbst im scheinbar intakten italienischen Norden ist längst Misstrauen angebracht. Die Mafia hat auch da ihre Hände im Spiel, wo man sie nicht vermutete.
Gleichwohl ist bekannt, dass die ‘Ndrangheta seit Jahrzehnten illegale Geschäfte in der Emilia-Romagna macht. In Brescello sind zahlreiche Mitglieder des Clans Grande Aracri ansässig, unter anderem der wegen Mafia-Zugehörigkeit verurteilte Boss Francesco Grande Aracri. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Operation „Aemilia“ und ein derzeit in der Provinzhauptstadt Reggio Emilia laufender Mega-Prozess gegen 147 Angeklagte werfen ein Schlaglicht auf die Verhältnisse. Neu hingegen scheint die systematische Verquickung der Lokalpolitik, also der heutigen Peppones zu sein.
Wie sich herausstellte, vertrat der frühere, 19 Jahre lang amtierende kommunistische Bürgermeister Ermes Coffrini die Mafiosi als Anwalt bereits vor Gericht und wusste in Interviews nur Positives über die Bosse zu berichten. Obwohl Francesco Grande Aracri verurteilt ist und ihm ein Vermögen im Wert von drei Millionen Euro beschlagnahmt wurde, war bis zuletzt auch Marcello Coffrini, der Sohn des früheren Bürgermeisters voll des Lobes für den Boss.
„Wir sind nicht alle Mafiosi“
Coffrini Junior bestimmte nicht nur zehn Jahre lang als sogenannter Assessor für Urbanistik die Geschicke des Dorfes mit, sondern amtierte zuletzt selbst zwei Jahre lang als Bürgermeister. In Folge seiner öffentlichen Lobeshymne auf den Boss trat er zurück. Auch wenn gegen die Coffrinis bislang nicht ermittelt wird, hat die Staatsanwaltschaft offenbar konkrete Hinweise darauf, dass die Gemeinde die Baufirmen der Bosse begünstigte.
Und Don Camillo? Der heutige Dorfpfarrer von Brescello heißt Don Evrando Gherardi und verliert kein schlechtes Wort über den zurückgetretenen Bürgermeister. Er verstehe auch die Auflösung der Gemeindeverwaltung nicht. „In Brescello gibt es die Mafia, aber wir sind nicht alle Mafiosi“, sagt er. Damit hat er gewiss recht, die Grenzen sind allerdings fließend. Erst kürzlich erteilte er dem Sohn von Francesco Grande Aracri die Erstkommunion.